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0457 - Heiße Sehnsucht nach Sing-Sing

0457 - Heiße Sehnsucht nach Sing-Sing

Titel: 0457 - Heiße Sehnsucht nach Sing-Sing Kostenlos Bücher Online Lesen
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mit wenig mehr als neun Dollar. Der Hilfssheriff hatte etwa zwanzig Dollar bei sich. Batters steckte das ganze Geld in die rechte Hosentasche. Dem Farmer nahm er außerdem ein Taschenmesser weg, das eine Art Mehrzweckinstrument war. Danach stülpte, er sich den Hut mit der breiten Krempe auf, den der Hilfssheriff getragen hatte. Mit umgeschnalltem Patronengürtel und dem Colt in der Seitenhalfter stiefelte er auf den Hof hiqaus.
    Die Zündschlüssel im Wagen des Hilfssheriffs staken, wie er es sich gedacht hatte. Er ließ den Motor an und fuhr den Wagen dicht an die Stalltür heran. Noch immer hatte sich kein Mensch sehen lassen. Ungestört konnte Batters das gefesselte Mädchen auf den Beifahrersitz tragen. Er schlug die Tür zu, ging um den Wagen herum und stieg ein. Gerade als er anfuhr, sah er im Rückspiegel, daß eine Frau aus dem Hauptgebäude herauskam. Er trat das Gaspedal ein wenig tiefer durch und grinste zufrieden.
    Alles war besser gelaufen, als er zu hoffen gewagt hatte. Jetzt besaß er nicht nur einen Wagen, der weithin sichtbar mit dem Stern des Sheriffs gekennzeichnet war, er hatte auch Geld, einen Colt und ausreichend Munition — und nicht zuletzt das Mädchen. Auf einer einsamen Stelle der Zufahrtsstraße hielt er an und befreite das Mädchen von den Fesseln.
    Die Kleine schien keine Tränen mehr zu haben — oder sie hatte sich mit der neuen Situation abgefunden. Sie rieb sich ein wenig die Handgelenke und fragte dabei mit kindlicher Neugierde: »Wohin fahren wir?«
    Batters hatte in der Brusttasche seines Hemds eine Schachtel Zigaretten entdeckt. Er steckte sich eine an und inhalierte tief. Lieber Himmel, dachte er, die erste Zigarette seit — seit — seit einer Ewigkeit. Weiß der Teufel, wann ich die letzte geraucht habe.
    »Wohin fahren wir?« wiederholte das Mädchen mit Ungeduld in der Stimme.
    Batters schrak aus seinen Gedanken auf.
    »Hm?« brummte er. »Ach so. Wir fahren nach New York.«
    »Richtig nach New York?« jubelte das Mädchen. »Wo die Häuser oben in den Wolken verschwinden?«
    »Ja, zu den Wolkenkratzern«, bestätigte Batters, und in seine Stimme kam ein fast sentimentaler Klang. »Dahin, wo in einer einzigen Straße mehr Menschen herumlungern, als du je gesehen hast.«
    Das kleine Mädchen strahlte vor Begeisterung. Plötzlich aber verfinsterte sich ihr Gesicht.
    »Nimmst du mich auch wirklich bis nach New York mit?«
    »Ich verspreche dir, daß ich dich mit nach New York nehme. Dafür versprichst du mir, daß du brav bist, wenn uns die Polizei anhält. Wenn du ihnen verrätst, daß ich der Mann aus dem Gefängnis bin, ist es aus mit dem Traum von New York. Dann schicken sie mich zurück ins Gefängnis und du wirst auf die Farm zurückgebracht und kommst nie nach New York.«
    »Ich will aber nach New York! Jetzt, wo wir schon so weit sind!«
    Batters schmunzelte. So weit! Sie waren von der Farm noch nicht einmal eine Meile entfernt, und bis nach New York mußten es ungefähr achtzig sein.
    Batters setzte sich die Sonnenbrille auf die Nase, die er in der anderen Brusttasche gefunden hatte, rückte den Hut des Hilfssheriffs ein wenig schief, damit es nicht so auffiel, daß er ihm eigentlich etwas zu groß war, und dann gab er langsam mehr Gas. Bis nach New York waren es rund achtzig Meilen, und wenn er Glück hatte, konnte er noch vor Einbruch der Dunkelheit in Manhattan sein, bei einem Mädchen namens Jennifer Herold.
    ***
    Es war gegen ein Uhr mittags, als wir nach einem raschen Besuch im Distriktsgebäude in der »Schwarzen Seele« aufkreuzten. Wir erregten die Aufmerksamkeit von weit über dreißig Gästen. Es waren vorwiegend Männer, und alle waren Neger oder Mischlinge. Sie starrten uns teils überrascht, teils schadenfroh an, als wir zur Theke gingen. Offensichtlich erwarteten sie alle ein amüsantes Schauspiel.
    Hinter der Bar versah ein junger Keeper den Dienst. Wir rutschten auf zwei der hohen drehbaren Hocker, und Phil sagte freundlich:
    »Zwei Tassen Kaffee, bitte.«
    »Eh«, stotterte der Barkeeper, »ich — eh — aber…«
    »Ganz recht«, nickte Phil.
    Der Barkeeper bewegte lautlos die Lippen, während er mit seinem Geschirrtuch wie besessen die spiegelblanke Theke bearbeitete. Dabei legte sich seine Stirn in tiefe Querfalten, die genau über der Nasenwurzel von einer senkrechten Falte geteilt wurden. Es war immerhin möglich, daß er nachzudenken versuchte. Wir steckten uns Zigaretten ah und warteten auf das Ergebnis. Zweimal schielte er zu uns herüber,

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