0458 - Der Schrecken hinter der Wand
eingesetzt zu werden.
McNaught war ihr nicht unsympathisch. Er wußte genau, was er wollte, und er war stark - und er besaß bessere Manieren als viele andere Männer, die sie kannte. Sie fühlte, daß sie ohne weitere negative Konsequenzen hätte nein sagen können, als er ihr in der Nacht im Auto sagte, er würde sie in dieser Nacht brauchen. Aber sie hatte ja gesagt.
Sie hatte es selbst so gewollt.
Sie konnte nun von sich sagen, daß sie mit einem der ganz Mächtigen von ganz oben ganz intim gewesen war.
Und vielleicht würde er sich bei Gelegenheit daran erinnern, wie gut sie gewesen war, und dafür sorgen, daß sie ein wenig schneller die Treppe zu ihm herauf fiel.
Deshalb zog sie sich auch nicht an, bevor sie sich zu ihm an den Tisch setzte. Sie zeigte ihm, was er sehen wollte. Ihren gutgeformten nackten Körper, den er in der Nacht besessen hatte. Du kannst mich jederzeit wieder besitzen, lockte sie ihn damit. Auch jetzt, sofort.
Aber seine Gedanken gingen in eine andere Richtung.
Mißmutig betrachtete er das Frühstück, das der Zimmerkellner aufgebaut hatte. »Wenn es in der Weltordnung etwas gibt, was ich als allererstes ändern würde, falls mir jemand rein zufällig die Weltherrschaft antragen würde«, sagte er grimmig, »dann gäbe es für sämtliche englischen Köche Berufsverbot. Einem Menschen kann nichts Schlimmeres passieren, als mit einem englischen Koch, einem französischen Butler und einem italienschen Beamten zu tun zu haben.« Er grinste. »Vorurteile, aber sie kommen nicht von ungefähr. Das Zeug ist ungenießbar. Am besten lassen wir es stehen, stopfen es dem Verantwortlichen in den Rachen, daß er seinen Fraß selbst erleiden muß, und suchen ein fremdländisches Restaurant auf.«
»Am frühen Morgen?« gab Linda zu bedenken, die leichten Herzens auf ihr eigenes Zimmer verzichtet hatte. »Das dürfte in diesem kleinen Ort schwer fallen. Und den Verantwortlichen mit diesem Zeug zu füttern, bringt nichts, weil die Engländer nichts anderes kennen.«
»Stimmt. Sie futtern diesen Fraß ja jeden Tag freiwillig«, sagte McNaught. »Na gut, sollen sie es tun. Vielleicht finden wir irgendwo einen McDonalds-Laden. Das ist wenigstens Eßkultur.«
»Was tun wir heute sonst noch?« fragte Linda und nahm die Schultern zurück, so daß ihr Busen besser zur Geltung kam. »Du sagtest, du würdest mich heute brauchen?«
»Ja«, sagte er, schnupperte am Tee und stellte ihn beiseite. »Gefärbtes Wasser«, knurrte er. »Wenn sie wenigstens Kaffee kochen könnten. Aber der sieht genauso aus und schmeckt auch genauso wie dieses gefärbte Wasser. Davon, daß beim Kaffee das Hufeisen oben schwimmen muß, haben sie nie etwas gehört. Die spinnen, die Engländer. Kein Wunder, daß sie ihr Weltreich verloren haben. - Wir fahren zum Beaminster-Cottage. Vielleicht bin ich intern nach meinem gestrigen Anmelde-Anruf im Château Montagne in Frankreich an Zamorra weitergemeldet worden. Wir kreuzen zu zweit auf. Ich, der angeblich ein Para-Problem hat, das nur dieser Professor lösen kann. Du bist in meiner Begleitung. Du bist der Ablenkungsfaktor. Die am tiefesten ausgeschnittene Bluse ziehst du an und den kürzesten Rock, den du bei dir hast. Notfalls machen wir ihn noch kürzer.«
»Ich habe eine durchsichtige Bluse«, sagte Linda.
»Die ziehst du an, nichts darunter. Du lenkst ihn ab. Und einer von uns wird diesen Tennisball in seinem Arbeitszimmer deponieren.« Er zog die graue Kugel aus der Tasche.
»Und was soll das?« fragte sie.
»Interessiert es dich wirklich?« fragte McNaught eine Spur zu kühl.
Linda Barcas zuckte zusammen. Sie begriff, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Sie hatte sich mit ihrer Frage zu weit vorgewagt. »Es geht mich wohl nichts an«, sagte sie.
»Du solltest Clementi fragen«, sagte er. »Er kann dir helfen, deine Neugier mit einer ausgefeilten Mentaltrainingstechnik zu überwinden.«
»Ich werde es tun«, versprach sie.
McNaught erhob sich. »Zieh dich an«, sagte er. »So provozierend wie möglich, aber nicht ordinär. Und dann wollen wir doch mal sehen, ob wir diesen Zamorra nicht überfahren können.«
***
Zamorra war bis Bristol gefahren. Dort wechselte er auf die Autobahn M 4 in Richtung Westen. Eine gewaltige, lange Autobahnbrücke spannte sich über den Ausläufer des Bristol Channel, des Einschnittes, welcher das südliche Wales von England abteilte. Von da an waren sie in Wales. Vom Aussehen her der bisherigen Landschaft vergleichbar, aber wenn man die
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