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0458 - Der Schrecken hinter der Wand

0458 - Der Schrecken hinter der Wand

Titel: 0458 - Der Schrecken hinter der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Bewohner anschaute und mit ihnen sprach, eröffnete sich eine völlig andere Welt. Zamorra trieb den Mercedes über Cardiff nach Swansea und weiter und auf Landstraßen schließlich bis zur Ortschaft Carmarthen. Von hier aus waren es in der Luftlinie nur noch ziemlich genau zehn Kilometer bis zu Caermardhin - was nichts anderes war als der wälische Originalbegriff für das englische Carmarthen. Caermardhin - die Burg des Falken … In der Sprache von Wales wurde Merlin Myrddhin Emrys genannt, »der kleine Falke«, und wer sich einigermaßen in der Sprache auskannte, wußte, daß »Caer« nichts anderes bedeutete als das englische »Castle« oder das deutsche »Kastell« oder »Burg«, und »Myrddhin« das wälische und »Mardhin« das keltische Wort für »Merlin« waren.
    Caermardhin lag ein paar Kilometer südwestlich der Ortschaft Cwm Duad auf dem Berggipfel. Normalerweise war die Burg unsichtbar und unerreichbar. Die Legende sagte (und wurde von den Tatsachen bestätigt), daß die Burg nur dann den Menschen sichtbar wurde, wenn Gefahr für das Dorf und die Welt drohte.
    Auf dem Weg bergauf durch den Wald konnte man, wenn man nicht gerade völlig blind durch die Gegend lief, den Zugang zu Merlins Kristallhöhle entdecken. Und es gab einen aus dem Boden ragenden Felsbrocken, der den Zugang zum Weltentor in die legendäre Straße der Götter bildete. Doch wenn man zu Merlin selbst gelangen wollte, mußte man bis zum Gipfel hinaufsteigen.
    »Cwm Duad«, brummte Ted, als sie das Ortsschild passierten und das Dorf durchquerten. »Wie spricht man das eigentlich aus, Zamorra?«
    »Kumduad«, sagte Zamorra. »Das ›w‹ wird, wenn es zwischen zwei Konsonanten steht, wie ›u‹ ausgesprochen. In Wales gibt es übrigens den Ort mit dem längsten Namen der Welt.«
    »Hä?«
    »Befindet sich auf der Insel Anglesey und schimpft sich Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysilliogogogoch.«
    »Wie belieben Eure Lordschaft zu artikulieren?« ächzte Ted.
    »Soll ich’s wirklich wiederholen?« fragte Zamorra. »Immerhin führt eine Bahnlinie hindurch, und das Schild am Bahnhof soll angeblich länger sein als der gesamte Bahnhof. Und wenn der Zugschaffner nach alter Tradition den Bahnhof ausruft, soll er, wie böse Zungen murmeln, schon bei der Abfahrt im vorherigen Bahnhof damit anfangen.«
    »Kann ich mir vorstellen. Was sagen denn die Engländer dazu? Die haben doch schon anno Piependeckel die Herrschaft über Wales an sich gerissen und nennen sogar ihren Kronprinz« Prince of Wales », obgleich das den Walisern kaum sonderlich gefallen dürfte…«
    »Die Engländer? Die kürzen das Kaff auf Landkarten meist auf ›Llanfair‹ ab, obgleich es in Wales wenigstens hundert ›Llanfairs‹ geben dürfte, mit entsprechenden weiteren Silben dran.«
    »Hilf, Himmel«, seufzte Ted. »Die spinnen, die Waliser.« Er versuchte die Laute, die Zamorra ihm vorgab, nachzuvollziehen. »Llanfair…«
    »Chlanfair«, sagte Zamorra freundlich. »Doppel-L wird mit Kehllaut ausgesprochen.«
    »Dann müßte dein Freund Llewellyn sich ›Chlewechlyn‹ ausprechen, aber ist der nicht Schotte?«
    »Weiß der Teufel, woher sein Clan wirklich stammt.« Chluechlinn »übrigens, um korrekt zu sein.«
    »Menschen mit einem normal gewachsenen Kehlkopf können das doch gar nicht fauchen«, ächzte Ted. »Sag, wie machst du das?«
    Zamorra grinste.
    »In Unserer unendlichen Größe und Güte geruhten Wir, Uns die Sprachen anderer Völker zu verinnerlichen«, dozierte er hoheitsvoll.
    »Die spinnen, die Professoren, die Zamorra heißen«, brummte Ted. »Gut, daß es nur einen von der Sorte gibt. Die Welt würde aus den Angeln geraten.«
    Mittlerweile waren sie am Waldrand angekommen. Zamorra steuerte den Mercedes rückwärts den Weg hinauf. Auf eine entsprechende Frage Teds begründete er: »Da oben kann ich nicht wenden, und ich fahre bergab lieber vorwärts. Außerdem habe ich den größeren Streß lieber zu Anfang der Etappe.«
    Gut fünf Minuten später ging es nicht mehr weiter. »Ab jetzt müssen wir uns zu Fuß bergauf bewegen«, sagte Zamorra.
    Und hoffen, daß Merlin uns hereinläßt, dachte er. Vielleicht hat er unsere Annäherung nicht einmal bemerkt.
    Aber ohne Hoffnung gab es kein Leben.
    Der Hubschrauber kreiste in großem Abstand um das Beaminster-Cottage, nur als ein ganz winziger Punkt am Himmel zu entdecken, wenn man sehr genau hinschaute, und am Rand der Hörbarkeitsgrenze. Kaum jemand würde sich darüber Gedanken machen,

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