0458 - Eine Frau regiert die Unterwelt
Ich hätte zu gern gewusst, wie mir Jay Burks das Vorhandensein der falschen Chips erklärt hätte. Nur war ich nicht so sicher, ob wir sie dann noch gefunden hätten.
Da ich meinen Jaguar zu Hause gelassen hatte, hielt ich ein Taxi an.
Was hat ein Mann wie Sullivan mit einem Gangster wie Jay Burks gemeinsam? Das war der Gedanke, der mich am meisten beschäftigte, als ich mich auf den Rücksitz des Taxis fallen ließ. Wenn ich ehrlich war, musste ich zugeben, dass ich noch nicht sehr weit vorangekommen war. Immer neue Figuren tauchen auf und verbanden sich zu einem Spiel, dessen Ausgang so imbestimmt war wie das Rennen in Indianapolis.
Mitternacht war längst vorüber, als ich unsere Dienststelle betrat.
Tom Cooper kam mir aufgeregt entgegen. »Endlich, Jerxy, wo hast du denn bloß gesteckt?« Er warf einen missbilligenden Blick auf meine Salonlöwenaufmachung. »Hast du schon gehört? Phil…«
»Was ist mit Phil?«, unterbrach ich schnell. Ich spürte eine Gänsehaut auf dem Rücken. Wie aus weiter Feme hörte ich Toms Stimme: »Man hat versucht, ihn zu töten.«
In meinem Hals schien sich plötzlich etwas zuzuschnüren. »Ist er… ist er schwer verletzt?«, fragte ich rau.
Tom Cooper zuckte die Achseln. »Vor einer Stunde war er noch bewusstlos.«
Er redete noch weiter, aber ich verstand nur wenig. Wortfetzen hörte ich, den Namen des Krankenhauses, dann war ich auch schon unterwegs, stürzte in den Hof und sah mich nach einem Einsatzwagen um.
Kurz nach ein Uhr war ich in der Klinik. Der Arzt machte die üblichen Einwände und wollte mich unter keinen Umständen mit Phil reden lassen.
»Es war eine schwierige Operation«, sagte er, »aber Mr. Decker hat eine Bärennatur.«
»Was fehlt ihm?«, fragte ich kurz.
»Zwei Kugeln aus einer 35er Automatik, aber ich glaube, dass er sie gern losgeworden ist. Er bekam sie in den Rücken.«
Ich atmete etwas schneller. »Kann ich ihn sehen?«, fragte ich noch mal.
»Aber nur ein paar Minuten und nur, wenn Sie ihn nicht aufregen.«
Auf den Zehenspitzen betrat ich sein Zimmer.
Die Nachtschwester, die neben seinem Bett saß, stand auf und legte den Zeigefinger an die Lippen.
Ich nickte ihr beruhigend zu und blieb stehen, aber Phil hatte mich längst bemerkt. Er sah ein bisschen bleich aus, aber sonst schien er schon wieder der Alte zu sein.
»Hallo, Jerry«, flüsterte er, »ich glaube, ich habe nicht richtig aufgepasst.«
Er versuchte, den Kopf zu heben, aber da war ich schon neben ihm und drückte ihn vorsichtig wieder zurück.
»Lass nur«, knurrte er unwillig, »du tust ja gerade so, als ob ich schon geliefert wäre.«
Dann schielte er zu der Schwester hinüber. »Schick die Schwester hinaus, ich habe was mit dir zu bereden.«
Sie schien ein feines Gehör zu haben, denn sie machte ein beleidigtes Gesicht und wandte sich zur Tür. »Aber nur fünf Minuten«, sagte sie,- ehe sie uns endlich allein ließ.
»Wer war es?«, wollte ich wissen.
»Gib mir eine Zigarette, Jerry«, lautete seine Antwort.
»Aber du darfst doch nicht«, wollte ich einwenden.
»Erst eine Zigarette, Jerry, sonst fällt mir überhaupt nichts ein.«
Ich tat ihm den Gefallen. Seine Stimme klang bedeutend fester, als er mir berichtete: »Sie muss gemerkt haben, dass ich hinter ihr her war.«
»Wer?«
»Unser Pumaweibchen natürlich. Vielleicht hat sie mich gesehen, als ich in der Pell Street herumschnüffelte. - Ich war auf meinem Posten, als sie in dem schwarzen Pontiac an der Rückseite des Modesalons vorfuhr. Und dann verschwand sie wieder in dem Haus.«
»Kannst du dich nicht etwas kürzer fassen?«
»Warte ab«, sagte Phil ruhig. »Es vergingen vielleicht zwanzig Minuten, als der Kerl, der sie gefahren hatte, zum Vordereingang herauskam und mich zu sich heranwinkte. Ich sollte für Miss Priestly ein Paket in der Gasefoort Street abholen. Das war gleich unten am Hafen, am Dock 52. Ja, und dort ist es dann passiert. Ich war gerade ausgestiegen und ging an einem Fruchtschuppen vorbei. Ich spürte eigentlich nur einen dumpfen Schlag im Rücken.«
Ich wollte Phil nicht unnötig aufregen, deshalb verschwieg ich ihm, dass Miss Priestlys Begleiter Jay Burks war. Ich konnte nur hoffen, dass Burks Phil nicht erkannt hatte.
***
Lucia Priestly saß in ihrem chromblitzenden Rollstuhl, so ruhig und gelassen, als ob sie ihn nie aus eigener Kraft verlassen hätte. Ihre überlangen Finger spielten mit den Seiten eines Buches, ihre Augen gingen darüber hinweg.
Lucia Priestly war
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