046 - Drakula lebt
Feststellung.
Er sah mich einen Augenblick stumm an. „Ich bewundere Sie“, sagte er dann. „Daß Sie diesen Irrsinn glauben können.“
„Sie werden es auch noch tun, wetten?“
Er grinste, aber es war nicht zu erkennen, ob erleichtert oder spöttisch. Versöhnlich meinte er: „Kommen Sie. Bisher paßt jedenfalls alles recht gut zusammen, und ein paar Gedanken machen wir uns auch über die Zusammenhänge. Wir haben Sie immerhin hier erwartet, wenn auch nicht allein. Ich könnte mir vorstellen, daß Fräulein Rothenberg schon einigermaßen ungeduldig ist. Sie wartet im Nebenzimmer. Ich muß jetzt etwas essen. Ich bin seit halb vier auf den Beinen. Soll ich Ihnen auch etwas kommen lassen?“
Ich nickte. Ich hatte vorgehabt, mit Barbara irgendwo zu essen. Na, das ließ sich ja immer noch nachholen. Die Zeit war zwar knapp, aber ein paar Dinge duldeten keinen Aufschub. Ich nahm mir vor, den Inspektor zu bitten, Barbara in Sicherheit zu bringen. Und ich nahm mir noch etwas vor: Mich weder von Hartwig, noch von Gesetzen, noch von der sogenannten Vernunft aufhalten zu lassen. Die Feinde waren in der Überzahl. Sie hatten wenigstens noch einen Verbündeten, den ich nicht unterschätzen durfte – Unglauben.
Barbara war sehr erleichtert, mich zu sehen. Und ich sie. Aber sie weigerte sich, fortzugehen. Sie kannte die Wahrheit nicht. Sie wußte nur, daß Lukard hinter allem stecken mußte, was ihrer
Schwester widerfahren war. Ich versuchte ihr klarzumachen, daß Lukard mich fürchten mußte, weil ich zuviel gesehen hatte, und daß er mich gar nicht laufenlassen konnte. Daß meine Chancen besser standen, wenn sie sich außer Gefahr befand – außer Reichweite Lukards, weil ich dann nur auf einen aufpassen mußte: auf mich.
Nein, sie war eigensinnig. Sie bemerkte, daß es mir noch immer nicht ganz leichtfiel, mich auf den Beinen zu halten. Es ließ sich nicht ganz verbergen. Aber es wurde besser.
Es hätte noch immer den Ausweg gegeben, sie genügend zu kränken, daß sie ihre Gefühle für mich begrub. Aber erstens war mir klar, daß ich sie zu gern mochte, um das Risiko einzugehen, ihre Zuneigung zu verlieren, und zweitens bedeutete ihr Ärger auf mich ja nicht, daß sie die Stadt verließ. Sie würde also nach wie vor in Lukards gefährlicher Reichweite sein.
Sollte ich sie einweihen? Das war die Frage, die mich die ganze Zeit während des Essens beschäftigte. Einer von Hartwigs Männern hatte uns aus einer nahegelegenen Gastwirtschaft zu essen gebracht.
Barbara versuchte etwas aus mir herauszubekommen. Instinktiv ahnte sie, daß mehr los war, als sie wußte. Meine Antworten waren vage und unbefriedigend, das erkannte ich selbst. Aber die Situation begann unerträglich für mich zu werden.
Und schließlich dachte ich, daß es ganz gleich war, ob ich Angst oder Unglauben mit der phantastischen Wahrheit in ihr weckte. Je mehr sie wußte, desto besser konnte sie sich schützen. Denn im entscheidenden Moment blieb ihr nichts anderes übrig, als zu glauben.
Inspektor Hartwig kam gleich darauf, und ich war einigermaßen froh darüber.
„Fräulein Rothenberg“, sagte er, „wir brauchen Sie im Augenblick nicht mehr. Ich fürchte, wir werden Herrn Fuchs nicht so rasch gehen lassen können, daß es lohnend wäre, auf ihn zu warten. Ich bitte Sie aber, sich zu unserer weiteren Verfügung …“
„Nein“, unterbrach ich ihn. „Lassen Sie sie hier. Sie ist hier besser aufgehoben. Und ich möchte, daß sie hört, was ich Ihnen erzählen werde.“
Er zögerte. Dann nickte er. „Gut, ich will kein Risiko eingehen. Wenn Sie der Meinung sind, daß sie polizeilichen Schutz braucht, und wenn Sie einverstanden sind, Fräulein Rothenberg?“
Barbara nickte zustimmend. Sie sah mich dankbar an.
Wir gingen in das Wohnzimmer zurück, in dem er sein provisorisches Büro aufgeschlagen hatte. Ich fragte mich, wem das Haus wohl gehörte, aber außer Polizisten hatte ich noch niemanden gesehen.
„Erst will ich die Fakten haben. Die Fakten, verstehen Sie mich? Auf Ihre Spekulationen kommen wir später zurück.“
„Wir haben nicht viel Zeit“, sagte ich warnend.
„Dafür wird es reichen“, meinte er kurz.
Wir nahmen Platz, während er ein Tonbandgerät einschaltete. Einer seiner Männer erschien und teilte ihm etwas mit, allerdings so leise, daß ich kein Wort verstehen konnte. Auch an seiner Miene war nicht zu erkennen, ob es etwas Wichtiges war.
„Also los“, sagte er ungeduldig.
„Wo soll ich
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