0460 - Der grausame Wald
erklären. Sehen Sie mal. Ihr Mann muß, wenn er so geworden ist, wie Sie ihn beschreiben, etwas Einschneidendes erlebt haben.«
»Das stimmt!« rief Gordon.
»Bitte, laß Mr. Conolly weiterreden.«
Bill lächelte harmlos, bevor er mit dem Grund für seine Reise herausrückte. »Wissen Sie, ich habe die weite Fahrt von London hierher nicht ohne Grund unternommen. Ich wollte hier in der Stadt jemanden besuchen.«
»Kennen wir die Leute?« fragte die Frau.
»Ja. Das sind Sie und Ihr Mann!«
Edna Seymour war so überrascht, daß ihr fast die Teetasse aus der Hand gefallen wäre. Sie stellte sie zu hart ab. Tee schwappte über und verteilte sich auf der Untertasse. »Was haben Sie da gesagt? Sie wollten uns besuchen?«
Mißtrauen glomm in den Augen der Frau, während ihr Mann anfing, schief zu grinsen. »Und was ist der Grund Ihres Besuchs?«
»Ein Zeitungsartikel.«
Mrs. Seymour sagte zunächst nichts, nickte nur und meinte dann leise, während ihr Gesicht zur Maske wurde: »Verstehe. Ja, ich verstehe Sie sehr gut, Mr. Conolly.«
»Das Bild!« präzisierte der Reporter noch.
»Mein Mann hat die Aufnahme geschossen.«
Gordon Seymour sprang auf. »Ja!« rief er laut. »Ich habe es geschossen. Ich habe mehrere Fotos gemacht, Mr. Conolly.« Er rüttelte Bill an der Schulter. »Möchten Sie die Bilder sehen? Ich habe sie noch. Ich zeige sie Ihnen gern.«
»Nein, nein«, sagte Bill. »Die eine Aufnahme reicht mir. Setzen Sie sich wieder.«
Er nahm Platz und atmete scharf durch die Nase, während Bill über den Tisch hinweg Mrs. Seymour anschaute, die äußerlich sehr gelassen blieb und Tee trank. »Wie stehen Sie zu dem Foto, Mrs. Seymour?« erkundigte sich Bill. »Manche behaupten ja, es sei eine Fälschung.«
»Ich stimme denen zu.«
»Nein, das ist keine Fälschung!« schrie Gordon. »Ich habe euch beide aufgenommen, als ihr im Wohnraum wart. Es ist keine Fälschung, verdammt!«
Die Frau blieb gelassen. »Hören Sie nicht auf ihn, er redet Unsinn. Ich sagte Ihnen schon, daß er mit den Nerven nicht so in der Reihe ist. Das haben die Ärzte auch festgestellt. Sie wollten ihn in eine Klinik stecken, aber ich war dagegen. Ich habe meinen Mann geheiratet, ich liebe ihn, und er soll bei mir bleiben.«
»Du verfluchte Heuchlerin!« Plötzlich drehte Gordon durch. Er packte die Gabel und wollte sie seiner Frau ins Gesicht stoßen.
Bill Conolly war schneller. Nur kurz bewegte er seine rechte Hand und schüttete dem Mann den Tee ins Gesicht.
Da er noch heiß war, schrie Gordon auf. Er ließ die Gabel fallen und preßte seine Handflächen gegen die Wangen.
»Da sehen Sie, was er für eine Person ist«, erklärte die Frau. Sie blieb gelassen, fast spöttisch, und für Bills Geschmack eigentlich zu gleichgültig.
Gordon holte ein schmutziges Taschentuch hervor und trocknete damit sein Gesicht ab. Edna kümmerte sich nicht mehr um ihn, sie wandte sich an Bill. »So leid es mir für Sie tut, Mr. Conolly, aber ich glaube fest daran, daß Sie die lange Reise hierher umsonst gemacht haben.«
»Ich aber nicht!«
Edna Seymour schaute Bill scharf an. »Soll das heißen, daß Sie meinem Mann glauben?«
»Ja, ich bin nicht davon überzeugt, denn das Foto ist keine Fälschung, Mrs. Seymour.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Ich bin vom Fach.«
»Fotograf?«
»So ähnlich oder auch. Ich kann meinen Beruf ebenfalls mit den Worten Journalist oder Reporter umschreiben.«
»Bitte verlassen Sie das Haus!« forderte die Frau.
Ihr Mann begann zu lachen. »Jetzt sehen Sie es, Mr. Conolly, wie diese Person reagiert. Das Monstrum, das Sie unter ihrem Dach hält, hat sie schon angesteckt.«
»Halt dein Schandmaul!« zischte Edna.
»Aber ich bitte Sie«, sagte Bill. »Keinen Streit. Ich kam nur, um das kleine Monstrum zu sehen. Selbst in London hat dieses Foto die Leute aufmerksam werden lassen.«
Der Mann rieb seine Handflächen gegeneinander. »Jetzt bin ich gespannt, Edna, wie du dich aus dieser Lage wieder herausmanövrieren willst. Wahrscheinlich gar nicht.«
Sie ging nicht auf die Bemerkung ein und sagte zu Bill gewandt: »Es gibt in diesem Haus kein Monster, Mr. Conolly. Merken Sie sich das!«
»Soll ich es Ihnen zeigen?« schrie Gordon und sprang von seinem Stuhl hoch. »Es hat sich hier irgendwo im Haus verborgen. Ich kann es ja rufen.« Er begann zu schreien. »Ronny, komm zu deinem Vater. Wir warten hier auf dich. Ronny, mein kleiner Liebling, komm her!«
Edna wurde blaß. »Ich möchte«, sagte sie langsam,
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