0462 - Die Rache des Schlangendämons
züngelte rotes Feuer. Es strahlte furchterregende Hitze aus, aber diese Hitze kam nicht mittelbar von den züngelnden Flammen, sondern wurde direkt in Panshurabs Innerstes geschickt, wo sie sich ausbreitete und ihn erschauern ließ. Widerstreitende Empfindungen tobten in ihm; er fror, obgleich er die Hitze spürte, die seine dunkle Seele versengt hätte, wenn er diese nicht schon vor sehr, sehr langer Zeit seinem Herrn Ssacah zum Geschenk gemacht hätte.
Panshurab brauchte ein paar Minuten, bis er sich an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatte. Es war hell und dunkel zugleich, ein weiterer Widerspruch im Erscheinungsbild dieses riesigen Raumes, der von Wänden begrenzt war und doch endlos erschien. Als Panshurab in diesem eigenartigen Licht endlich wieder richtig sehen konnte, entdeckte er die bizarren Gestalten, die um ihn herum durch den Saal geisterten und ihn bis dicht vor das Podium begleitet hatten, auf dem sich der Thron erhob. Kriechende, schleimende und sabbernde Gestalten waren es, die leise, aber bösartig vor sich hin keckerten, fauchten oder zischten, die sich gegenseitig niederzubeißen versuchten oder sich geisterhaft durchdrangen.
Eine Reihe von Stufen führte zum eigentlichen Thron hinauf. Aus der Ferne hatte der Thron leer ausgesehen und Panshurab hatte sich gefragt, weshalb der Fürst der Finsternis ihn hierher kommen ließ, wenn er dann zur vereinbarten Zeit doch nicht anwesend war, um seinen Besucher zu empfangen. Doch es mußte eine jener optischen Täuschungen gewesen sein, hervorgerufen durch das unheilvolle Zwielicht. Jetzt jedenfalls, als der vertraute Ssacahs den Kopf hob und zum Thron hinauf blickte, sah er, daß jemand darauf saß.
Er sah aber auch, woraus dieser Thron gefertigt worden war.
Ein Knochenthron…
Früher, zur Zeit des Leonardo de-Montagne, bestand dieser Thron aus den Gebeinen von Menschen. Das zumindest hat man Panshurab erzählt. Er selbst hatte ihn nie gesehen. Er hatte niemals die Erlaubnis erhalten, hier vor das Angesicht des Fürsten zu treten. Aber dieser Thron bestand nicht aus Menschenknochen. Er war aus den sterblichen Überresten von Dämonen konstruiert worden!
Und auf diesem Thron saß eine dunkelhaarige Frau. Zwei leicht gewundene Hörner wuchsen aus ihren Schläfen empor, und ihrem Rücken entsprangen zwei mächtige, fledermausartige Flügel, die jetzt zusammengefaltet waren, da sie sie nicht zum Fliegen benötigte. Die dunkelhaarige, geflügelte Teufelin war völlig unbekleidet. Aber das verstärkte die Autorität sogar noch, die von ihr ausging.
Mansur Panshurab starrte die nackte Dämonin verwirrt an. »Verzeiht, aber dies scheint mir ein Irrtum zu sein«, sagte er unsicher. »Ich rechnete damit, vor den Thron des Fürsten der Finsternis gerufen zu werden…«
Die Dämonin lachte spöttisch. »Da bist du genau richtig, Mann mit gespaltener Zunge«, sagte sie. »Ich habe dir gewährt, für eine Weile vor mir im Staub zu knien und mir dein Anliegen vorzutragen.«
»Bitte, Herrin…? Ich verstehe nicht…«
»Du verstehst es sehr wohl, du schlangenhäutiger Narr«, zischte sie. »Du willst es nur nicht verstehen, weil es nicht in dein Weltbild paßt. Du erflehtest eine Audienz beim Fürsten, und du bekamst sie. Nutze deine Zeit gut, denn viel gebe ich dir nicht.«
»Ihr…«, keuchte Panshurab konfus. »Ihr seid der Fürst, Herrin?«
Wieder lachte die Dämonin. »Ganz recht.«
»Aber…«
»Vergeude nicht meine kostbare Zeit«, fuhr sie ihn an. »Finde dich damit ab, daß von nun an eine Frau die Geschicke der schwarzen Familie lenkt. Was willst du von mir?«
»Die Erlaubnis zur Rückkehr der Schlangen auf die Welt der Menschen erbitten«, sagte er und wunderte sich hinterher darüber, woher er den Mut nahm, so direkt zu antworten. »Wenn Ihr so freundlich sein mögt, Ssacah diese Gnade zuteil werden zu lassen, o meine hochgeschätzte fürstliche Herrin«, fügte er unterwürfig hinzu.
»Du hast gelernt«, stellte die Fürstin der Finsternis fest. »Man sagte mir, der Kult der Schlange sei aufdringlich, seine Vertreter aggressiv. Doch mir scheint, du hast begriffen, daß du mit Arroganz und Forderungen nicht weit kommst… Nun, Diener der Kobra, wie stellst du dir die Rückkehr Ssacahs in diese Welt vor? Was planst du?«
»Ssacah wird…«
Sie erhob sich und sah somit von einer noch höheren Position aus auf ihn herab. »Panshurab, ich habe dich nicht gefragt, was Ssacah tun wird, sondern was du zu tun gedenkst, falls ich dem
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