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0462 - Wo der Orlock haust

0462 - Wo der Orlock haust

Titel: 0462 - Wo der Orlock haust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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glauben, aber die Leute würden sich wundern, wahrscheinlich schon in dieser Nacht.
    Clara Hastings nahm noch einen Schluck und stierte durch das Fenster. Die Scheibe kam ihr vor wie ein gewellter Glasbogen, der sich ständig veränderte. Dahinter und in der Ferne schimmerten einige Lichter. Die Häuser gehörten noch zu Trevose, das in einer breiten Talschüssel eingebettet lag.
    Der Orlock war nicht tot!
    »Nein!« flüsterte sie. »Ich habe ihn gehört. Nur er kann so grausam lachen. Es gibt ihn. Er wird durch das Haus spuken und sich die Opfer holen. Der Orlock lebt, das weiß ich genau. Er ist ein… ein…« Ihre weiteren Worte gingen in einem unverständlichen Murmeln unter. Der Kopf sank nach vorn, eine bleierne Müdigkeit überfiel sie, der genossene Alkohol zeigte seine Wirkung.
    Miß Hastings schlief ein.
    Es waren keine Stunden, die sie verschlief, vielleicht nur Minuten, jedenfalls hatte sie jegliches Zeitgefühl verloren, als sie wieder erwachte.
    Sie schreckte hoch, öffnete die Augen, schaute sich um und sah zunächst einmal nichts.
    Alles war dunkel.
    Ihr Kopf brummte. Es fiel ihr schwer, einen Gedanken zu fassen, und als es soweit war und die Erinnerung zurückkehrte, durchfuhr sie ein heißer Schreck.
    Etwas war geschehen, war anders. Sie überlegte noch, und plötzlich wußte sie Bescheid.
    Es hing mit dem Licht zusammen.
    Als sie eingeschlafen war, hatte es noch gebrannt. Jetzt war es verloschen.
    Durch die Nase holte sie Luft. Vor ihr in der dicken Wand stand der Umriß des Fensters wie ein blauer Schatten, der an seiner Unterseite mit dem Boden verschmolz. Eine düstere Nacht lag über dem Land. Mond und Sterne gaben so gut wie kein Licht ab.
    Die Welt um das Schloß herum sah aus wie ein dunkelgraues Gemälde.
    Hatte sie das Licht doch gelöscht, ohne es zu merken? Clara Hastings dachte darüber nach, und sie zermarterte sich auch das Hirn dabei, aber sie kam zu keinem Resultat. Eigentlich war sie sicher, daß das Licht bei ihrem Einschlafen gebrannt hatte.
    Sie stand auf.
    Dabei stemmte sie beide Hände auf die mit weichem Leder überzogenen Sessellehnen. Es war ein völlig normaler Vorgang, der für sie ganz andere Dimensionen bekam, als etwas Kühles ihren Nacken streifte und sie zusammenzucken ließ.
    Ein kühler Hauch, wie ein Atem.
    Sie bekam Angst, traute sich nicht, den Sessel zurückzuschieben und sich umzudrehen. Statt dessen hörte sie in ihrem Rücken und aus der Dunkelheit des Zimmers das leise Lachen und gleichzeitig verbunden mit einem flüsternden Befehl.
    »Bleib nur so hocken! Bleib nur so…«
    Die Hastings nickte, ohne daß sie es eigentlich wollte. Sie ahnte, wer da zu Besuch gekommen war, dennoch fragte sie nach. »Wer sind Sie, Mister?«
    »Weißt du das nicht?«
    »N… nein …«
    »Der Orlock ist da. Ja, der Orlock…« Die Stimme veränderte sich und verfiel in einen leisen Singsang. »Kennst du nicht das Lied? Dreht euch nicht um, denn der Orlock geht herum…« Er lachte.
    »Ich habe es an diesem Abend wieder gehört. Die Kinder haben es gesungen. Sie waren so begeistert und hatten auch keine Angst. Dreht euch nicht um…« Er lachte wissend und schrill. »Sie hätten es machen sollen. Ja, sie hätten es machen sollen. Dann hätten sie mich gesehen.«
    »Nein!« hauchte die Hastings. »Ich will Sie hier nicht haben. Gehen Sie. Gehen Sie weg…«
    »Aber wieso denn? Ich bin extra zu dir gekommen. Du wußtest, daß ich lebe, Clara. Du bist etwas Besonderes, weißt du das? Andere sollten sich nicht umdrehen, du darfst es aber. Los, dreh dich um. Tu uns den Gefallen. Dreh dich um!«
    »Nein!«
    »Soll ich dich zwingen?«
    Miß Hastings stand gebückt da und warf den Kopf zurück. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Mein Gott, dachte sie.
    Weshalb kommt denn keiner und hilft mir? »So helft mir doch, verdammt. Kommt her und helft mir.«
    »Ich bin hier, Clara. Los, dreh dich um! Es wird niemand kommen und uns bei unserem Rendezvous stören. Niemand, Clara, glaub mir das. Wir sind allein. So allein, wie ich es früher immer gewesen bin, wenn ich sie mir holte.«
    »Wen hast du dir geholt?«
    »Die Mädchen. Sie kamen alle zu mir. Ich hatte etwas Geheimnisvolles an mir, das lockte sie an. Und heute sind sie wieder da. Ich brauchte nur noch zuzugreifen.«
    »Aber du bist tot!« rief sie.
    »Bin ich das wirklich? Hast du mich nicht schon des öfteren lachen gehört? Du wußtest Bescheid, jetzt gebe ich dir die Chance, mich ansehen zu können. Dreh dich um, Clara

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