0462 - Wo der Orlock haust
gleiten ließ. Diesen Weg kannten nur die wenigsten, vielleicht keiner außer ihm. Aber bald würden ihn viele kennenlernen. Nur konnten sie nichts mehr verraten, weil sie dann tot waren.
Der Orlock schloß die Klappe hinter sich und jagte durch die Finsternis wie ein Gespenst…
***
Wir hatten fast bis direkt an die Schloßmauer heranfahren können.
Die letzten Schritte waren wir gelaufen. Wie es sich gehörte, führte eine Freitreppe hoch zum Eingang, über dem, im Vergleich zu seiner Größe, nur eine trübe Lampe leuchtete.
Ihr Licht traf auch eine Schrift über dem Eingang.
Suko holte die Lampe hervor und leuchtete die Buchstaben an.
»Ach nee«, sagte er nur.
Auch ich war überrascht.
Einen Namen lasen wir, der uns verflixt bekannt vorkam: OMEGA Es war der Name eines internationalen Konzerns, der vor allen Dingen in der chemischen Industrie Akzente setzte. Vom Waschmittel über die Pille bis zum Gartendünger wurde so ziemlich alles hergestellt. Der Konzern besaß mehrere Niderlassungen, auch in Übersee, und ich dachte auf einmal wieder an den zerstörten Wald. Wir hatten nicht gewußt, wer dafür die Verantwortung trug.
Konnte es möglich sein, daß OMEGA dahintersteckte?
Suko quälten die gleichen Gedanken wie mich. Er meinte: »John, mir scheint, wir haben einen Teil der Lösung gefunden.«
»Kann sein.«
»Nur bin ich mal gespannt, ob dieser Boß überhaupt etwas weiß oder zugibt.«
»Letzteres bestimmt nicht.«
»Bleibt es bei unserem Plan?«
»Sicher, wir werden auf den toten Professor zu sprechen kommen.« Ich war schon unterwegs und schritt die breiten Stufen hinauf. Es war mittlerweile 21.00 Uhr geworden, eine noch christliche Zeit für einen Besuch in der Schule.
Ich klingelte und wartete voller Spannung auf eine Reaktion.
Sie erfolgte durch den Lautsprecher der Sprechanlage. Eine Männerstimme fragte nach unserem Begehr.
»Wir hätten gern Mr. Dalton gesprochen!«
»Um diese Zeit?«
»Ja.«
»Wer sind Sie?«
Ich nannte meinen Namen und die Berufe. Danach war es erst einmal still. »Sind Sie noch da?« fragte ich.
»Ja, ich werde Mr. Dalton Bescheid geben.«
»Darum bitten wir.«
Suko grinste schief. »Bin mal gespannt, ob der sich tatsächlich auf etwas einläßt.«
»Er wird uns schon nicht abweisen. Es sei denn, er möchte sich gern selbst verdächtig machen.«
»Stimmt auch wieder.«
In der Tat wurden wir eingelassen. Nach dem Summen drückte Suko die Tür auf. Wir fanden uns in einer großen Halle wieder, sahen den offenen Kamin, die zahlreichen Sessel, die Teppiche, kleine Tische und zwei große Treppen, die von verschiedenen Seiten in die Höhe liefen und sich dann trafen.
Ein Hausmeister kam auf uns zu. Er trug einen grauen Kittel. Auf dem Kopf wuchs kein einziges Haar mehr. Mit einem etwas verlegenen Grinsen bat er uns, Platz zu nehmen.
»Dauert es lange?« fragte ich.
»Nein, Mr. Dalton hat zwar noch gearbeitet, wie er mir versicherte, aber er wird gleich kommen. Kann ich etwas für Sie tun? Möchten Sie vielleicht einen Whisky?«
»Danke, nein.«
»Dann bitte. Ich gehe jetzt.«
Wir ließen uns in einer Sitzgruppe nieder. Es war nicht still, wie man es eigentlich in einem solchen Gebäude hätte erwarten können.
Aus den oberen Etagen hörten wir Musik, mal schlug eine Tür, dann vernahmen wir helle Mädchenstimmen.
Suko nickte und meinte sarkastisch: »Genau die richtige Umgebung für den Orlock.«
»Sei ja ruhig.«
Es verrannen Minuten. Einmal läutete das Telefon. In unserer Nähe wurde nicht abgehoben, irgendwo anders im Haus. Auch von den Mädchen sahen wir nichts. Wir hörten sie nur immer wieder.
Ich hatte mir eine Zigarette angezündet, schaute den blaugrauen Rauchwolken nach und dachte über gewisse Dinge nach, die eigentlich nur einen Namen trugen.
OMEGA Es war nicht zu fassen. Sollte dieser Konzern, der schon Riesengewinne machte, sich tatsächlich für das Waldsterben verantwortlich zeigen?
Bisher hatte es noch keinen Skandal um OMEGA gegeben. Jedenfalls war mir aus den Zeitungen nichts bekannt. Das hatte nichts zu sagen. Da konnten gewisse Leute auch im Geheimen einiges planen.
Leider fehlten uns die Beweise.
Ein summendes Geräusch unterbrach meine Gedanken. Wir schauten gegen eine Wand, wo sich plötzlich eine graue Stahltür zur Seite schob. Ich mußte lächeln. Hinter der Tür hatte sich eine Liftkabine verborgen gehabt. Früher war der Schloßherr über die große Freitreppe in der Halle erschienen, heutzutage kam er mit dem
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