0462 - Wo der Orlock haust
Lift.
Ich hatte ihn mir eigentlich als smarten Manager vorgestellt und nicht wie er tatsächlich war. Dalton machte auf mich den Eindruck eines etwas behäbigen Mannes. Er trug einen Vollbart und war so gekleidet, als hätten wir ihn bei einer besinnlichen Stunde am Kamin gestört. Fehlte nur noch die Pfeife zwischen seinen Lippen.
Suko und ich hatten uns erhoben. Kenneth Dalton lächelte, begrüßte erst Suko, dann mich, stellte sich noch einmal vor und schob einen Sessel herbei.
»Sie sind also von der Polizei«, stellte er beim Zurücklehnen fest.
»Scotland Yard.«
Er legte die Stirn in Falten. »Daß Sie sich in diese Gegend hier verirren.«
»Sorry, Mr. Dalton, aber wir haben uns nicht verirrt.«
»Nicht?«
»Nein, wir kamen aus einem bestimmten Grund. Ich weiß nicht, ob Sie es schon vernommen haben, aber in London wurde jemand umgebracht, den Sie kennen müssen, denn er hat als freier Mitarbeiter für den Konzern Omega gearbeitet.«
Er lachte leise. »Mein lieber Mr. Sinclair, wissen Sie eigentlich, wie viele Mitarbeiter Omega beschäftigt?«
»Ich kann es mir vorstellen.«
»Es sind auf der ganzen Welt Zehntausende.«
»Das glaube ich Ihnen, nur ist der Tote ein besonderer Mann. Er stand nicht ganz hinten im Glied. Das Gegenteil ist der Fall. Zudem hat er Sie häufiger besucht.«
»Wer ist es denn nun?«
Ich überließ Suko die Antwort. »Es ist Professor van Dyken.«
Der Blick des Managers änderte sich. Er wurde plötzlich starr.
»Ach, was Sie nicht sagen.«
»Wir lügen nicht. Van Dyken wurde tatsächlich umgebracht. Man erstach ihn in seinem Haus.«
»Und Sie suchen seinen Mörder?«
»So ist es.«
Dalton beugte sich vor. »Weshalb kommen Sie dann zu mir?«
»Jeder Mensch hinterläßt in seinem Leben gewisse Spuren, Mr. Dalton. So auch der Professor. Wir erfuhren, daß er sich häufiger hier auf der Burg oder dem Schloß oder in der Schule aufgehalten hat. Entspricht das den Tatsachen?«
»Ja.«
»Wunderbar, dann kommen wir der Sache schon näher. Was hat er hier getan? Gelehrt?«
»Auch.« Die Antwort kam zögernd. Ich hatte das Gefühl, als würde Dalton lügen.
»Er war Naturwissenschaftler«, sagte Suko. »Bilden Sie hier Chemiker oder Physiker aus?«
»Nein, die Mädchen hier werden im Fach Informatik geschult, um später die entsprechenden Positionen in den einzelnen Filialen des Konzerns bekleiden zu können. Sie gehören nicht zur Elite. Ich möchte mal so sagen. Sie bewegen sich auf der mittleren Ebene des Managements, müssen aber noch selbst mit anfassen und vor den Bildschirmen sitzen.«
»Dann verstehe ich nicht, was der Professor hier tat.«
Dalton lächelte maliziös und blickte Suko dabei an. »Nun ja, der Professor ist öfter hierhergekommen, um sich zu erholen und auch in Ruhe über etwas nachzudenken oder auszurechnen. Er hatte genügend Probleme, wie Sie sich vorstellen können. Er war ein geachteter Mann und wird sicherlich einmal Nobelpreisträger…«
»Entschuldigen Sie«, unterbrach ich ihn. »Wenn ich mich erholen will, fahre ich nicht in eine Schule. Sie haben hier junge Mädchen, die sind verdammt schwer zu hüten.«
»Stimmt.«
»Und trotzdem ist van Dyken gekommen?«
»Denken Sie mal anders, Mr. Sinclair. Vielleicht hat es ihm auch Spaß gemacht, in einer Umgebung zu arbeiten, die sehr jung ist.«
»Das hätte er auf der Universität auch haben können«, widersprach ich.
»Da stand er unter Kontrolle.«
Allmählich begriff ich. »Wollen Sie vielleicht damit andeuten, daß Professor van Dyken in seinem Alter noch den Anblick junger Mädchen sehr mochte?«
»So ähnlich.«
»Sind es Schülerinnen oder Callgirls?« fragte Suko sehr direkt, und Dalton stieg die Zornesröte ins Gesicht.
»Was erlauben Sie sich?«
»Ich reagiere nur auf Ihre Andeutungen.«
»Nein, so ist das nicht. Der Professor hat keine angerührt. Er schaute ihnen nur zu, wenn sie schwammen oder turnten…«
»Und duschten«, ergänzte ich.
»Das kann ich nicht bestätigen. Jedenfalls liebte er die jungen Körper. Meine Güte, die Menschen sind so vielfältig und vielschichtig. Jeder hat sein Hobby.«
Ich verzog den Mund. »Hobby ist gut.«
»Es ist ja nichts Schlimmes passiert. Der Professor war ein Gentleman.«
»Lassen wir das Thema«, sagte ich. »Sie wissen nicht zufällig, was er für Omega getan hat, an welchen Dingen er arbeitete? Welche Aufträge man ihm gab?«
»Nein, da bin ich überfragt. Wir haben auch über dienstliche Dinge nicht gesprochen. Wenn er
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