0467 - Der Nebelmörder
Begleiter. Dieses Grab musste Besuch gehabt haben.
Es waren Fußabdrücke, die ich zunächst vorsichtig umging und sie dann zurückverfolgte. Auf dem Grasboden in der Nähe verloren sie sich. Aber zum Grab hin und wo das Gras nicht mehr so dicht wuchs und einen Teppich bildete, konnte ich sie deutlich erkennen.
Ein Mann hatte den Weg hierher gefunden. Sohle und Absatz zeichneten sich deutlich ab. Die Schuhspitze wies zum Grab. Dicht vor der unteren Kante hörten sie auf.
Ich ging in die Hocke und entdeckte außer den Fußspuren auch Handabdrücke in der weichen Graberde.
Das ließ nur einen Schluss zu.
Hier hatte jemand vor dem Grab gekniet, sich vorgebeugt und mit beiden Händen abgestützt. Weshalb hatte er das getan?
Ich grübelte über eine Lösung nach und kam zu dem Schluss, dass der Unbekannte etwas gesucht haben musste. Aber das Grab selbst sah unbeschädigt aus.
Jeremy Ice, dachte ich. Was hat dich für einen Besucher so interessant gemacht?
Eine Antwort fand ich nicht. Es blieb mir nichts anderes übrig, als eine eigene Theorie zu basteln. Vielleicht war der Killer des Schauspielers zuerst auf diesen Friedhof gegangen und hatte das Grab besucht, bevor er die blutige Tat beging.
Wenn ja, musste er einen Grund gehabt haben. Wollte er sich vielleicht Kraft holen? Wenn ja, von wem?
Von einem Dämon, vom Teufel? Es gab eigentlich zahlreiche Antworten, falls Schwarze Magie mit im Spiel war. Ich spielte mit dem Gedanken, das Grab öffnen zu lassen. Dann würde sich herausstellen, ob man den Nebelkiller tatsächlich damals hier begraben hatte oder ob alles nur eine Finte gewesen war.
Ich stand wieder auf - und verspürte die Warnung!
Es war nur ein Gefühl, vielleicht ein kurzes Zusammenziehen meiner Magenmuskeln, aber auf so etwas achtete ich und drehte mich sehr vorsichtig um.
Vor mir wallte und bewegte sich der Nebel. Die nahen Bäume waren nicht mehr zu sehen. Sie zeichneten sich auch nicht als Schatten ab. Die Brühe fraß alles.
Was hatte mich gewarnt?
Ich lauschte in die Stille. Jenseits der Mauer vernahm ich einige Geräusche. Einmal erklang eine Autohupe, dann hörte ich einen lauten Ruf, danach war es wieder still.
Ich wandte dem Grab auch weiterhin den Rücken zu, als ich mich in Bewegung setzte. Meine Füße versanken im weichen Boden. Der Blick blieb starr gegen den Nebel gerichtet, der sich leicht bewegte, manchmal Figuren schuf, sie wieder zerriss und zu neuen Gebilden formte.
Stand dort jemand?
Bisher sah ich nichts, aber da war plötzlich die Stimme. Sie lag in der Luft und schien mit den monoton treibenden Schwaden vermischt zu sein. »Verlass die Stelle des Grauens, sonst wird dich der Tod holen! Jeder, der herkommt, steht auf seiner Liste. Der Nebelmörder ist zurückgekehrt. Seine Taten werden mit Blut geschrieben…«
»Zeig dich!«
»Nein, es reicht, wenn ich dich sehe. Hüte dich vor meiner Klinge! Hüte dich…«
Dann hörte ich nichts mehr. Ich vernahm auch kein Geräusch, als sich der Sprecher zurückzog. Allein und von geisterhaften Dunstschwaden umgeben, blieb ich zurück.
Hatte ich tatsächlich mit dem Nebelmörder gesprochen? Wenn ja, mit welchem? War der erste, der echte, aus dem Grab gestiegen, um als Zombie die Menschen zu verfolgen? Oder hatte er einen Nachahmer gefunden?
Beides war möglich. Ich musste einfach davon ausgehen, dass dieses Geheimnis möglicherweise nur innerhalb des Grabs zu lüften war.
Noch einmal ging ich zurück, kniete mich nieder und holte mein Kreuz hervor.
Es war mir schon gelungen, mit Hilfe des Kreuzes einen Blick in die Tiefe fremder Gräber werfen zu könnend Vielleicht schaffte ich es hier auch, wenn das Grab ein zentraler Punkt der Schwarzen Magie war.
Auf der Mitte der weichen Erde legte ich es nieder und wartete auf eine Reaktion.
Es tat sich nichts. Weder ein Glänzen noch ein Strahlen entstand. Das Kreuz blieb ruhig.
Sollte ich die Formel sprechen und es aktivieren? Dabei konnte ich die andere Magie möglicherweise zerstören.
Ich wagte es, und der lateinische Spruch flog mir glatt und sicher über die Lippen. »Terra pestem teneto - Salus hie maneto…«
Nichts geschah!
Ich dachte schon an einen Irrtum und wollte das Kreuz wieder an mich nehmen, als die Reaktion im Innern des Grabes erfolgte. Dort rumorte es plötzlich. Es war kein lauter Donner, eher schon ein Grollen, das einem Lachen glich. Die Erde geriet in Bewegung, so dass Risse entstanden, durch die mein Kreuz fast gerutscht wäre. Ich konnte es noch an mich
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