0467 - Der Nebelmörder
den Kopf. »Ich wollte, es wäre eines, meine Liebe…«
***
Trotz des trüben Wetters fing der Morgen eigentlich gut an. Es lag wohl an Glendas Kaffee, der so herrlich duftete, aber ich kam nicht mehr dazu, den zweiten Schluck zu genießen. Der Anruf einer gewissen Sarah Goldwyn, auch Horror-Oma genannt, schreckte mich aus den warmen Kaffeeträumen. Was sie zu berichten hatte, riss mich vom Stuhl, so dass ich mich in den Wagen schmiss und losfuhr.
Mein Ziel waren die Studios, wo man den Toten gefunden hatte. Suko war im Büro geblieben. Wenn ich ihn brauchte, wollte ich ihn anrufen.
Durch die Innenstadt zu fahren war eine Tortur. Der Verkehr schien im grauen Brei des Nebels erstickt zu sein. So hatte ich Zeit, über Autotelefon mit dem zuständigen Chef der Mordkommission zu reden, den ich glücklicherweise ziemlich gut kannte.
Der Mann hieß O'Donnell. Seine Stimme klang müde, weil er die Nacht über auf den Beinen gewesen war. »Dass Sie mitmischen, Sinclair, hat man mir schon berichtet. Diese Sarah Goldwyn sprach davon. Ist sie wirklich so gut mit Ihnen bekannt?«
»Ja.«
»Dann haben Sie ja die beste Zeugin. Vorausgesetzt, es stimmt, was sie gesehen hat.«
»Man kann sich auf sie verlassen.«
»Wollen Sie zu mir kommen? Ich muss sowieso durchmachen. Doppelschicht, verstehen Sie?«
Ich fuhr wieder an und geriet in einen Kreisverkehr. Die anderen Wagen erschienen wie Schatten an der linken Seite und rollten lautlos heran.
»Eigentlich hatte ich vor, den Tatort zu besichtigen.«
»Das können Sie verschieben, denn es ist nicht viel zu sehen. Wenn Sie mich fragen, sind die Aufnahmen unseres Fotografen wesentlich besser.«
»Okay, dann komme ich.«
Man gab mir die genaue Adresse, und ich fuhr weiter im Schritttempo.
Der Nebel glich einem Vorhang, der immer dichter wurde. Dem Wetterbericht nach zu urteilen, sollte er noch einige Tage die Stadt wie eine große Decke einhüllen.
Das war nichts Neues für London. Der November brachte eben die dunklen Schwaden. Dieses Wetter hatte unzählige Autoren dazu animiert, gruselige Mordgeschichten zu schreiben. Aber es hatte auch tatsächlichen Mördern die entsprechende Umgebung gegeben.
Lady Sarah hatte mich kurz eingeweiht und von einem Nebelmörder gesprochen, dessen Taten verfilmt worden waren. Der Film hatte am gestrigen Abend Premiere gehabt.
Dabei war es dann zu dieser Bluttat gekommen.
Mehr wusste ich nicht, aber O'Donnell würde mich sicherlich informieren.
Ich brauchte fast die dreifache Zeit für die Strecke und konnte meinen Rover neben Polizeiwagen abstellen. O'Donnell empfing mich in seinem Büro. Es war karg eingerichtet, aber das kannte ich ja. »Setzen Sie sich doch.«
Er schabte über seinen Bart. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Filmschauspieler Walter Matthau war ihm nicht abzusprechen.
Auch er wirkte zerknautscht, und die Bartschatten auf seinen Wangen zeugten ebenso von der durchgearbeiteten Nacht wie die dicken Ringe unter den Augen.
»Kaffee?« fragte er.
»Ein Tröpfchen.«
»Ja, okay.« Er bestellte ihn, lehnte sich zurück und hakte die Daumen hinter die breiten grünen Hosenträger. Er zog sie nach vorn und ließ sie wieder zurückschnappen. »Eine verdammt unangenehme und miese Geschichte ist das, kann ich Ihnen sagen. Damit hätte ich nie im Leben gerechnet.«
»Mit einem Mord?« Er hustete. »Was heißt Mord? Das ist eine Schweinerei, eine verdammte. Dieser Killer hat den Nebelmörder genau kopiert. Er hat das Opfer ebenso getötet wie der damalige Unhold.«
»Wer wurde umgebracht?«
»Ein Mann namens Wayne Ross. Er ist Schauspieler und hatte in dem Film die Rolle des Mörders übernommen.«
Der Kaffee wurde gebracht. Er war heiß und sehr stark. Wir tranken einen ersten Schluck. O'Donnell holte eine Zigarre hervor und klemmte sie sich zwischen die Lippen. Er zündete sie an, paffte die ersten Wolken und redete gleichzeitig. »Weshalb killt man einen Schauspieler, und wer hat es getan?«
»Der Nebelmörder!« O'Donnell wäre fast die Zigarre aus dem Mund gefallen. »Sie sind gut, Mann. Das weiß ich selbst, dass es der Nebelmörder gewesen ist, wenn man ihn eben so nennen will. Aber der währe Nebelmörder ist tot. Der hat vor Jahren gewütet. Polizisten haben ihn gestellt und erschossen.«
»Und jetzt ist er wieder da!« O'Donnell bekam große Augen. »Das kann er nicht. Sie haben ihn begraben. Der muss längst vermodert sein.«
»Wissen Sie es?«
»Ja.«
»Haben Sie das Grab öffnen
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