0467 - Der Nebelmörder
warteten.
Auch Lorraine Carr.
Sie hatte sich ein wenig von den übrigen Leuten abgesetzt und hockte dort, wo einen Abend zuvor die Leinwand gestanden hatte. Sie war abtransportiert worden, ebenso der Projektor und die meisten Stühle. Dennoch waren genügend Sitzgelegenheiten vorhanden.
Das Verbrechen vom letzten Tag war nicht verborgen geblieben. Man sprach darüber, man wollte mehr wissen, aber niemand konnte etwas Genaues sagen.
Alle hatten Angst, dass sich so etwas wiederholen würde. Keiner war der Einladung gern gefolgt, aber sie dachten auch an ihre Zukunft, und die sah nicht rosig aus. Der Filmindustrie ging es nicht besonders.
Abgesehen von den amerikanischen Kassenknüllern brachte kaum jemand einen Film auf den Markt, der Millionen einspielte.
Da musste man schon zufrieden sein, wenn man überhaupt einen kleinen Filmjob bekam.
Natürlich wollte das niemand zugeben. Jeder produzierte sich. Der eine mit Worten, der andere mit weit ausholenden Gesten, als Würde er auf einer Theaterbühne stehen. Schauspieler waren eben ein Volk für sich.
Und keiner gab offen zu, dass er einen Job bitter nötig hatte Sie waren angeblich alle ausgebucht und sprachen über die Projekte, die bestimmte Regisseure mit ihnen vorhatten. Ob Bühne, Film oder Fernsehen, man war eben begehrt.
Anders Lorraine Carr. Sie hielt sich zurück. Zu trinken gab es genug. Zumeist Wein, aber auch einige Flaschen Whisky standen bereit.
Lorraine fühlte sich mieser als mies. Sie hielt den Stiel eines Rotweinglases umklammert und stellte fest, dass ihre Hand zitterte. Die schrecklichen Ereignisse hatte sie nicht vergessen, sie lasteten auf ihr als starker Druck. Ihr Gesicht zeigte eine dicke Schicht aus Schminke und Puder. Damit hatte sie die Ränder verdecken wollen, die unter ihren Augen lagen.
Man musste den Leuten immer etwas vorspielen, so war der verdammte Job halt. Judy Jackson trat zu ihr. Sie hatte in dem Streifen die zweite Hauptrolle gespielt. Die beiden Frauen mochten einander nicht besonders, waren dennoch falschfreundlich zueinander, aber ihre Spitzen verrieten die Abneigung.
Judy tänzelte heran. Wie immer war sie auf Vamp gestylt. Ein enger, schwarzer Pailletten-Rock, dazu eine weiße Bluse mit Rundbogen-Ausschnitt, und darüber hing dann locker das Nerz Jäckchen. Sie hatte, mal versucht, auf Marilyn Monroe zu machen, aber das war in die Hose gegangen. Judy war nicht einmal ein schlechter Abklatsch. Sie sah aus wie eine Bordsteinschwalbe, die von der »Schicht« kam.
Und für Rollen dieser Art wurde sie auch immer wieder eingesetzt.
»Darf ich mich zu dir setzen, Lorraine?«
»Bitte.«
Judy nahm Platz und störte sich nicht daran, dass der enge Rock gefährlich hoch rutschte.
Die Jackson hatte bereits getrunken. Auch jetzt schaukelte sie ein gut gefülltes Glas mit Whisky in der Rechten. Ihre Wangen waren gerötet, was nicht allein am Make-up lag. Der Blick, mit dem sie Lorraine anschaute, hatte etwas Traniges an sich. Eine perfekte Augenschminke besaß sie ebenfalls nicht. Die dunklen Stellen sahen aus, als würden sie verlaufen.
»Cheerio!« Judy hob ihr Glas. »Auf den neuen Film.«
Lorraine verzog nur die Mundwinkel. »Glaubst du daran?«
»Wieso? Sicher.« Judy lachte und trank danach. »Hör mal, Schätzchen, weshalb hätte Dino uns sonst zusammengerufen?«
»Vielleicht hat er einen anderen Grund gehabt.«
»Welchen denn?«
»Keine Ahnung.«
»Also, ich wäre ja fast nicht gekommen«, sagte Judy.
Lorraine nickte. »Ich ebenfalls. Meine Angst war einfach zu groß, verstehst du?«
»No…«
»Vor dem Mörder!«
Jüdy winkte ab. »Das meinst du? Nein, davor habe ich keine Angst. Das ist prickelnd. Ich hatte einen anderen Grund. Wegen Dino habe ich einen Termin mit einem Produzenten abgesagt. Und weißt du, mit wem?«
»Keine Ahnung.«
»C. C. Cerril.«
Lorraine hob die Augenbrauen, als sie Judy anschaute, die ihrem Blick nicht standhalten konnte und den Kopf zur Seite drehte, wobei sie hastig trank. »Haben wir das eigentlich nötig, uns so zu belügen, Judy? Du bist doch aus dem gleichen Grund hier wie ich. Wir beide sind geil auf eine Rolle.« Lorraine öffnete den Mund und deutete auf ihre Zähne. »Wir wollen beide etwas zu beißen haben. Darum geht es doch im Endeffekt. Diese Geschichte mit dem Produzenten darfst du doch keinem Profi aus der Branche erzählen. Das nimmt dir höchstens ein Busschaffner ab, der sich mit dir unterhalten will.«
»Und es war doch ein Produzent!« behauptete Judy
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