0470 - Baphomeths Totenwächter
in der Nähe einen.«
»Das ist klar.«
Der Abbé und seine Templer-Freunde waren schon ein seltsames Volk. Obwohl wir zusammenarbeiteten, wenn es sich nicht anders vermeiden ließ, wurde ich dennoch den Eindruck nicht los, daß sich keiner von ihnen in die Karten schauen lassen wollte. Sie zogen sich meist zurück, sie bildeten ihren eigenen Club und gewährten einem Fremden so gut wie keinen Einblick.
Ich fand ein Taxi. »Du hörst von mir«, sagte der Abbé, als ich einstieg und mich zum Hotel fahren ließ…
***
Am anderen Morgen schneite es.
Ich wohnte in keinem Luxusschuppen, sondern in einem kleinen Hotel, mit nur wenigen Zimmern. Sie waren ebenfalls sehr klein, dafür sauber, wie die Dusche und die Toilette. Frühstücken durfte ich in einem Wintergarten. Man glaubte, im Freien zu sitzen. Dicke Flocken fielen aus dunklen Wolken. Sie berührten aber nicht meinen Kopf, auch wenn es so aussah. Vor mir fielen sie auf das durchsichtige Dach und zerschmolzen dort.
Kaffee und Croissants hatte ich bekommen. Dazu Butter und Marmelade. Die Besitzerin kam, eine schon ältere Frau, sie brachte mir zwei Zeitungen.
»Wenn Sie lesen möchten, Monsieur…«
»Ja, gern.« Ich bedankte mich mit einem Lächeln und schaute zu, wie sich Madame zurückzog. Sie ging so steif und gerade, als hätte sie einen Stab verschluckt. Auf mich machte sie den Eindruck einer »grande dame«, die es eigentlich nicht nötig hatte, Zimmer zu vermieten. In Wirklichkeit sah es wohl anders aus.
Ich aß das Hörnchen und trank die Tasse leer, bevor ich sie mir erneut füllte. Noch ein weiterer Gast hockte in der Ecke, halb versteckt hinter einem Blumenkübel. Manchmal hörte ich sein Schmatzen und auch das Raschem des Papiers, wenn er die Zeitung umschlug.
Das brachte mich auf die Idee, ebenfalls zu lesen. Ich hatte ja Zeit, da ich noch immer nicht wußte, wo ich bei diesem Fall nun noch ansetzen sollte. Eigentlich war Abbé Bloch für mich der wichtige Mann. Er hatte die besseren Beziehungen, er kannte sich aus, und er würde herausfinden müssen, wo sich die Templer versteckt hielten.
Ich steckte mir die Verdauungszigarette an, paffte die ersten Wolken, schob den Stuhl zurück und griff zur Zeitung. Auf der Titelseite stehen in der Regel Berichte über aktuelle weltpolitische Ereignisse, aber in diesem Fall hatte man die Seite zweigeteilt.
Zwei Morde erschütterten Paris und die Entführung eines Kindes!
Ich holte tief Luft. Auf einmal brach mir der Schweiß aus. Das mußte an dem heißen Kaffee liegen, aber auch an der Furcht, denn ich hatte noch mit Bloch darüber gesprochen, daß dieser Baphometh von jemandem geboren sein mußte.
Man berichtete nicht nur, es waren auch Fotos zu sehen. Einmal das Gesicht der ermordeten Krankenschwester, zum anderen das der Mutter, deren Kind entführt worden war.
Beide Frauen waren durch Messerstiche ums Leben gekommen.
Man hatte ihnen keine Chance gelassen, und sie waren in einem Zimmer gefunden worden. Die Polizei stand vor einem Rätsel. Das wurde zwar offiziell nicht zugegeben, doch als Polizist ist man es gewohnt, zwischen den Zeilen zu lesen, und das tat ich.
Mich interessierte besonders die junge Mutter. Der Name war auch genannt worden.
Danielle Lagrande!
Gehört hatte ich ihn noch nie, ging aber weiterhin davon aus, daß diese Frau zumindest zu einem schwarzmagischen Clan gehört hatte, wenn nicht eine Hexe gewesen war.
In London wäre es mir ein leichtes gewesen, herauszufinden, wer diese Frau gewesen war. Hier in Paris lagen die Dinge anders. Da war ich ein Fremder. Zwar kannten mich einige Kollegen, doch ich war nicht im offiziellen Auftrag nach Paris gekommen. Wenn ich sie jetzt um Hilfe bat, würden sie sich zumindest wundern und ein wenig dumm aus der Wäsche schauen.
Aber es ging kein Weg daran vorbei. Nur durch die Tote war die Spur vorhanden. Ich mußte wissen, wie sie früher gelebt und welche Verbindungen sie gehabt hatte.
Zum Schluß des Artikels versprach der Reporter, auch weiterhin am Ball zu bleiben.
Ich hatte keine Lust mehr, die Zeitung durchzublättern, faltete sie zusammen und legte sie neben die Tasse auf den Tisch. Gedankenverloren starrte ich in den Rauch der Zigarette und auch gegen die Scheibe. Es schneite noch immer. Die Flocken tauten sofort weg, der Boden hatte noch die Wärme vergangener Tage gespeichert. Jenseits der Glaswand wuchsen dunkle Hinterfronten hoch, doch hier im Wintergarten konnte man sich wie im Paradies fühlen.
Der andere Gast erhob
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