0470 - Baphomeths Totenwächter
gefährlich geworden. Die Unterwelt kocht und dehnt sich immer weiter aus. Auch Menschen, die an sich einen harmlosen Eindruck machen wie Sie, versuchen es immer wieder. Bei mir sind Sie an der falschen Adresse. Ich lasse mich nicht ausrauben!«
Bevor der Abbé sich verteidigen konnte, bewegte sie ihre rechte Hand. Die Frau schob sie unter den Tresen, denn dort lag der Gegenstand, auf den sie sich verlassen konnte.
Etwas Dunkles, Kleines, Rundes glotzte den Abbé plötzlich an. Es war die Mündung einer Pistole.
Er hob nicht die Hände, sondern starrte die Waffe an, die ihm auch keine Furcht einflößte. Etwas anderes war viel wichtiger. Die Pistole gehörte John Sinclair…
***
Ich starrte die Ratte an, sie richtete ihre kleinen Augen auf mich. Sekunden vergingen, in denen ich das Rascheln und Trappern kleiner Füße um den Sarg herum hörte.
Dann ging ein Zucken durch den Körper der Ratte, sie stieß sich ab und hockte im nächsten Augenblick auf dem Sargrand. Dort blieb sie sitzen, putzte sich und schien auf ihre Artgenossen zu warten, die zahlreich den Friedhof bevölkerten.
»Ratten!« hörte ich Suko sprechen. »Verdammt, John, ich kann mir schönere Tierchen vorstellen.«
»Ich auch.«
»Weißt du, weshalb wir für sie plötzlich so interessant geworden sind?«
»Nein, frag Baphometh.«
Unsere Unterhaltung verstummte, weil jeder seine eigenen Probleme hatte, denn es blieb auch bei mir nicht bei der einen Ratte.
Andere Tiere sprangen von außen so hoch, daß sie mit einem Satz über den Sargrand hinwegsetzen konnten.
Sie landeten auf mir.
Das war vielleicht ein Gefühl. Beschreiben konnte man es schlecht. Ich spürte die Körper auf meinen Beinen, an den Füßen, den Oberschenkeln, den Waden, auf dem Bauch und dann auf der Brust.
Sie liefen nicht schnell. Ich spürte jedesmal überdeutlich, wenn sich ihre kleinen Füße bewegten. Sie hockten fett und gierig auf meiner Brust. Sie stanken entsetzlich nach der Kanalisation.
Dort mußten sie auch hergekommen sein, wahrscheinlich angeführt von irgendeinem Dämon oder einer Ratten-Königin, wie ich es auch vor Jahren schon erlebt hatte.
Es wurden immer mehr.
Noch hockten sie nicht auf meinem Gesicht. Da ich die Augen offenhielt, konnte ich erkennen, wie sich die Körper über den Sargrand wuchteten und auf mir landeten.
Der Druck nahm allmählich zu. Wo sie konzentriert hockten, preßten sie mir den Brustkorb zusammen, so daß ich schon Mühe mit der Atmung hatte.
Starr lag ich auf dem Rücken.
Mein Herz hämmerte wie wild. Angst durchflutete mich. Von Ratten angeknabbert zu werden, war nicht gerade das Wahre. Bisher waren sie nur über den Sargrand in der unteren Hälfte gesprungen. Das änderte sich, als die erste Ratte dicht unter dem Kinn auf meinem Hals landete und ihn mit seinem Gewicht zusammenpreßte. Es war ein besonders fettes Exemplar, das widerlich stank.
Es blieb dort hocken, beeinträchtigte meine Atmung, und wenig später konnte ich auch nichts mehr sehen. Zwei Ratten zugleich waren auf mein Gesicht gesprungen. Sie krallten sich mit ihren Pfoten fest, und ich spürte den harten Druck der Krallen, die in meine Haut drangen.
Ich hatte die Lippen zusammengepreßt. Auf dem Strich, den sie bildeten, stand ein Rattenfuß, so daß ich gezwungen war, durch die Nase zu atmen, was gerade noch klappte.
Zwei weitere Tiere sprangen auf meinen Kopf und klammerten sich in den Haaren fest.
Sie waren jetzt überall.
Auf mir, neben mir. An den Armen, den Beinen, den Füßen. Sie hockten auf dem Magen, der Brust, dem Gesicht, dem Kopf, und wahrscheinlich war ich für einen neben dem Sarg stehenden Menschen nicht zu erkennen. Ich mußte aussehen, wie mit einem grauen Mantel bekleidet.
Es wunderte mich, daß sie noch nicht mit ihrer schrecklichen Arbeit begannen. Sie wartete ab. Es schien mir, als hätten sie irgendeinen Befehl bekommen und würden auf den nächsten warten, um endlich zubeißen zu können.
Der erfolgte nicht.
Unter der Rattenflut lag ich nach wie vor begraben, hörte den eigenen Herzschlag als ein Trommeln in den Ohren und hatte Glück, daß ihr Fell meine Nasenlöcher nicht verstopfte, so daß ich durch sie Luft holen konnte.
Es war wohl Illusion gewesen, auf die vier Wächter zu vertrauen.
Sie taten nämlich nichts. Ich hörte und sah sie nicht, wahrscheinlich wollten sie als stumme Zeugen meinem Ende beiwohnen.
Die Tiere schienen versteinert zu sein, und so etwas hatte ich noch nie erlebt.
Dann geschah doch etwas.
An
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