0470 - Baphomeths Totenwächter
mein linkes Ohr preßte sich ein Rattenkörper, so daß ich dort nichts hören konnte. Rechts jedoch war es anders. Dieses Ohr lag zum Glück noch frei, und an dieser Seite vernahm ich auch die Schritte.
Jemand ging über den Friedhof und näherte sich uns mit den beiden Särgen.
Gleichzeitig hörte ich einen Pfiff.
Irgendwo in der Ferne war er ausgestoßen worden, denn ich hörte ihn nur schwach. Er galt den Ratten.
So wie sie in den Sarg gesprungen waren, verließen sie ihn auch.
Als springende, wallende, pelzige Masse hechteten sie aus dem offenen Sarg. Es begann wieder bei den Füßen, der Oberkörper lag auch bald frei, zum Schluß erst verließen sie mein Gesicht.
Ich riß weit den Mund auf, spürte Rattendreck an meinen Lippen, spie das Zeug aus, holte tief Luft und spürte auch die kleinen Wunden auf meinem Gesicht.
Aber ich lebte!
Nichts hatte sich verändert. Nach wie vor fielen die Schatten der stummen Wächter von zwei verschiedenen Seiten in den Sarg und damit auch auf meinen Körper.
Aber es gesellte sich ein dritter Schatten hinzu.
Der Mann, dessen Schritte ich vernommen hatte, trat in die Lücke zwischen den beiden Särgen, so daß er von Suko ebenso gesehen werden konnte, wie von mir.
Es war ein alter Bekannter von uns.
Vincent van Akkeren!
***
Er blieb ruhig stehen und glich dabei einer dieser Statuen, aber wir sahen sein Gesicht.
Ein Gesicht, das menschlich war, von der Sonne wohl leicht gebräunt. Van Akkeren hatte etwas an Gewicht verloren. Die Wangen waren nicht mehr so fleischig wie früher. Sein dunkles Haar lag aufgewellt auf dem Kopf und war nach hinten gekämmt worden. Die Arme hielt er vor der Brust verschränkt. Er trug einen langen, elegant wirkenden, dunklen Mantel. In seiner Pose kam er sich vor wie der große Sieger.
Ich ärgerte mich über ihn, war wütend, daß er es überhaupt geschafft hatte, und sprach ihn nicht an.
Anders Suko. »Hallo, van Akkeren, wir haben Sie schon erwartet. Hätten Sie nicht etwas früher kommen können?«
Er lachte, ohne die Lippen zu bewegen. Grusel-Star hatte er sich einmal genannt. So kam er mir auch vor in seiner düsteren Gestalt.
»Du meinst, wegen der Ratten, Gelber?«
»So ist es.«
»Sie gehören nun mal dazu.«
»Seit wann umgeben Sie sich mit den possierlichen Tierchen, van Akkeren? Einmal davon abgesehen, daß Sie für mich eine zweibeinige Ratte sind. Aber das wissen Sie ja selbst.«
»Sie enttäuschen mich, Suko. Ich hatte stets gedacht, daß Menschen wie Sie sich in der Gewalt haben. Diese Verbalinjurien (Beleidigungen) hätte ich aus Ihrem Munde nicht erwartet. Davon einmal ganz abgesehen, ich will gern ihre Frage beantworten. Die Ratten gehören dazu. Nur nicht zu mir, sondern zu einem andern, der sehr mächtig ist, Baphometh.«
»Ein Kind-Dämon!« meldete ich mich.
»Sehr richtig, Geisterjäger.«
»Und den hat man Ihnen vor die Nase gesetzt. Ich hätte mir so etwas nicht gefallen lassen. Wahrscheinlich waren Sie nicht gut genug, da mußte die Hölle zu solchen Mitteln greifen. Sie als Führer der Baphometh-Clique hier auf Erden hatte wohl keinen Sinn gehabt.«
Er hob den rechten Arm, ballte die Hand zur Faust und drückte sie unter sein Kinn. »Bisher, Sinclair, habe ich von Ihnen einiges gehalten. Das ist nun vorbei. Ihre dummen Worte treffen nicht den Kern des Problems und dienen allein dazu, die eigene Angst zu verdecken. Ich habe Baphometh erwartet. Es gibt keine Konkurrenz zwischen ihm und mir. Wir beide sind gleichberechtigte Partner. Ich werde seine Entwicklung genau beobachten. Wir werden ihm Tempel bauen, wo er verehrt werden kann, und die Gruppe der Templer, die ihn damals verehrt hat, wird sich auch in dieser Zeit finden lassen. Gerade in dieser Zeit, wo Menschen nach neuen Wegen suchen. Baphometh wird einer der großen Führer werden und eine Sekte bilden, die alles in den Schatten stellt, was es bisher gegeben hat. Wußtest du nicht, daß man die Ratten früher, zur Zeit der großen Pest, als die Todesboten bezeichnet hat? Ist dir das nicht bekannt gewesen, Sinclair?« Er verfiel wieder in den vertraulichen Tonfall. »Willst du das abstreiten?«
»Nein.«
»Dann hättest du nicht so dumm zu fragen brauchen. Die Ratten als Todesboten haben dich besucht. Du weißt, was das bedeutet. Sie haben dir angekündigt, daß du nicht überleben wirst, und dein Freund ebenfalls nicht. Unser Netz ist groß. Wir hatten genügend Zeit, es zu spannen, und ihr habt euch darin verfangen.«
»Und wo steckt dein
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