0471 - Im Wartesaal des Todes
und schnappte sich die schwere Gummiflasche. Der Gangster hatte den Glasbehälter in dem kleinen Raum zurückgelassen, und Phil füllte jetzt die todbringende Flüssigkeit in das sichere Gefäß.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich von meinen Fesseln zu befreien? Ich meine, nur wenn die Umstände…« begann Sinclair höflich.
»Natürlich«, sagte mein Freund. »Dazu bin ich sogar verpflichtet.« Ihm machte dieser verschrobene Kerl allmählich Spaß. Schnell hatte er ihn von den Stricken befreit. Jetzt fand er endlich Gelegenheit, seine Taschen zu durchsuchen. Die Gangster waren mehr als leichtsinnig vorgegangen. Sie hatten ihm Feuerzeug, Streichhölzer und Messer gelassen.
Die Klinge war aus gehärtetem Stahl. Phil brauchte nicht lange, bis das Türschloß ihres Gefängnisses seinen Bemühungen nachgab. Leise schwang die Tür auf. Nun konnten sie den Wartesaal des Todes verlassen.
»Wo sind wir?« fragte in diesem Augenblick Sinclair, der sofort seinen Kopf neugierig hervorstreckte.
»Genau weiß ich es nicht. Nach den Gerüchen zu urteilen, die hier herumschweben, in irgendeiner Kammer des Abwassersystems. Aber wenn Sie weiter so unvorsichtig sind, weiß ich, wo wir bald sein werden. Nämlich im Jenseits!«
»Sorry«, sagte der Erfinder beleidigt und zog sich in eine Ecke zurück. Mein Freund betrat vorsichtig den Gang, der vor ihrer Gefängniszelle verlief. Als er auf den Fußboden leuchtete, sah er Abdrücke von Gummischuhen im Schmutz. Er erkannte die Richtung, aus der die Gangster gekommen waren. Phil wußte nicht, wie viele es waren, aber er wußte, daß sie zumindest Schußwaffen hatten. Eine Verteidigung oder gar ein Kampf gegen die Gangster war aussichtslos.
»Los, kommen Sie hier entlang«, meinte Phil und zog den Erfinder mit sich fort.
Sie flüchteten auf die großen unterirdischen Kanäle zu. Plötzlich hörten sie hinter sich Geräusche. Ihre Flucht war entdeckt worden. Gleichzeitig bemerkte Phil einen schmalen Schacht nach oben, in den eine Eisenleiter gemauert war.
»Schnell, da hinauf!« flüsterte Phil. Schritte wurden laut, an den Wänden des Kanals glitzerte ein Scheinwerfer entlang.
Der Erfinder kletterte mit einer Schnelligkeit, die Phil ihm nie zugetraut hätte, die Sprossen hoch. Sofort setzte Phil nach. Keinen Augenblick zu früh. Eine Pistolenkugel klatschte genau an der Stelle in die Wand, wo er einen Moment vorher noch gestanden hatte. Mehrere Kugeln folgten sofort, aber Phil hatte bereits seine Beine in Sicherheit gebracht.
»Der Deckel ist verschlossen!« keuchte Sinclair plötzlich.
»Gegenstemmen«, meinte Phil nur, hangelte sich an Sinclair vorbei und rammte seine Schulter gegen den Kanaldeckel.
In diesem Augenblick peitschte die erste Kugel durch den Schacht. Sie streifte Phil an der Schulter. Ein höllischer Schmerz rann durch seinen Körper.
»Kommt herunter, oder ich knalle euch ab wie Tontauben«, sagte eine kalte Stimme. Phil blickte nach unten und starrte in das brutale Gesicht von Mickey Derridge.
***
Ich fuhr so schnell ich konnte zum Distriktgebäude zurück und begab mich zu Mr. High. Als ich eintrat, meldete Helen einen Besuch an.
»Eine Miß Leila Reynolds möchte Sie sprechen, Sir«, sagte Helen, und der Chef und ich starrten uns fassungslos an. Sollte dieses Girl tatsächlich den Nerv haben, hier im FBI-Gebäude aufzutauchen, nachdem wir in der ganzen Stadt nach ihr fieberhaft suditen?
»Lassen Sie die - Dame hereinkommen«, sagte Mr. High mit heiserer Stimme. Meine Hand tastete nach der Schulterhalfter. Ich rechnete mit allem. Gleich darauf ging die Tür auf. In diesem Augenblick waren wir noch sprachloser.
Im Türrahmen stand eine junge Frau, die wir noch nie zuvor gesehen hatten. »Ich bin Leila Reynolds«, sagte sie ruhig und trat ins Zimmer.
»Bitte nehmen Sie Platz«, entgegnete Mr. High, und ich bemerkte, daß selbst dem Chef in dieser Sekunde die Worte fehlten.
»Sie suchen mich. Ich habe es in den Mittagszeitungen gelesen. Deswegen bin ich gekommen. Was liegt gegen mich vor?« fragte sie.
»Darf ich einmal Ihre Ausweispapiere sehen?« fragte ich. Sie reichte sie mir, und ich konnte mich sofort von der Echtheit der Dokumente überzeugen.
»Sind Sie die Tochter von Stephan Sinclair?«
»Richtig.«
»Wo ist Ihr Vater?«
Das Mädchen zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ein Freund von mir hatte meinen Vater nach vielen Jahren des Suchens endlich ausfindig gemacht. Als ich aber dann in seiner Firma anrief, um ihn zu sprechen,
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