0471 - Im Wartesaal des Todes
wurde mir mitgeteilt, daß mein Vater zur Zeit im Urlaub sei.«
»Mit wem haben Sie in der Firma gesprochen?« erkundigte ich mich.
»Mit der Telefonistin. Mit wem denn sonst?« wunderte sich unsere Besucherin.
»Kennen Sie ein Mädchen namens Nora Cummings?«
»Ja, natürlich. Wir haben zusammen studiert. Ich kenne sie sogar sehr gut.«
»Wissen Sie, Wo sie jetzt ist?«
Leila Reynolds wurde etwas verlegen. »Ich glaube schon. Sie hatte vor zwei Jahren irgendeine Dummheit begangen und mußte die Universität verlassen. Wahrscheinlich verbüßt sie noch eine Gefängnisstrafe.«
»Irrtum. Miß Reynolds. Ich bedaure, Ihnen sagen zu müssen, daß Nora Cummings sich Ihren Namen angeeignet hat und daß es ihr gelungen ist, Ihren Vater zu entführen. Nora Cummings ist die Anführerin einer Bande von Lohngelddieben. Das Wissen Ihres Vaters benutzte sie dazu, um an das Geld heranzukommen!«
»Nein!« rief Leila Reynolds entsetzt. Sie wurde weiß wie die Wand und sank im Sessel ohnmächtig zusammen.
Mr. High hob den Telefonhörer und ließ sich mit der Leitstelle verbinden: »Großfahndung nach Nora Cummings sofort einleiten! Auch die Stadtpolizei ist einzuschalten.«
***
Phil sah, daß er keine Chance mehr hatte. Der Gangster konnte jeden Augenblick abdrücken. In diesem Moment durchzuckte ihn ein tollkühner Gedanke. Blitzschnell ließ er die Sproßen der Leiter los. Dann stürzte er in die Tiefe.
Mickey Derridge hatte mit allem gerechnet. Nur damit nicht. Phil erwischte ihn mit den Füßen an der rechten Schulter. Der Gangster wurde zur Seite geworfen, rutschte aus und fiel in das schmutzige Abwasser des Kanals. Seine Schußwaffe ging dabei verloren.
Phil war von dem Sturz halb betäubt. Ächzend richtete er sich auf. In diesem Augenblick hatte Sinclair den Kanaldeckel aufgestemmt. Helles Tageslicht fiel in den Raum. Phil sah Mickey Derridge einige Yard entfernt im Wasser treiben. Der Gangster hatte den Kampf aufgegeben. Er flüchtete.
Mein Freund hatte keine Chance, ihm nachzusetzen. Er war zu angeschlagen. Müde wandte er sich wieder der Leiter zu. Nur unter größten Anstrengungen gelang es ihm, sich hochzuhangeln. Dann hatte er plötzlich wieder richtigen Boden unter den Füßen. Er blinzelte in die Sonne und atmete befreit auf. Neben ihm lag Sinclair japsend auf dem Bürgersteig. Phil wußte nicht, wo sie sich befanden. Er wußte nur, daß er es wieder einmal um Haaresbreite geschafft hatte. Doch dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Er fuhr herum und blickte in das gutmütige Gesicht eines Patrolman.
»Ich bin Phil Decker, FBI«, keuchte Phil.
»Sie sollten sich schämen«, schimpfte der Patrolman, und die Gutmütigkeit verschwand mit einem Male aus seinem Gesicht.
»Seit wann ist es ehrenrührig, beim FBI zu sein?« fragte Phil zurück.
»Kanalratten werden nicht beim FBI beschäftigt. Zum anderen laß den Namen Phil Decker aus deinem dreckigen Mund.«
»Warum denn? Was hat alle Welt denn plötzlich gegen Phil Decker?«
»Gar nichts. Wir haben sogar sehr viel für ihn übrig. Nur — er ist tot.«
»Bringen sich mich sofort zum Headquarter der Stadtpolizei«, forderte Phil.
»Darum braucht ihr beiden mich gar nicht erst zu bitten. Das tue ich sowieso. Aber glaube nicht, daß man dir da deine dummen Lügen abnimmt.«
Phil erwiderte nichts. Er wollte jetzt nur so schnell wie möglich zum Headquarter. Daß er tot sein sollte, behagte ihm ganz und gar nicht.
Helen brachte ein Glas Wasser für Miß Reynolds. Die junge Dame erholte sich schnell.
»Brauchen Sie mich noch?« fragte sie erschöpft. Mr. High verneinte. »Danke, Miß Reynolds. Bitte lassen Sie uns Ihre Adresse hier. Das ist alles. Wenn wir Sie brauchen, schicken wir einen Beamten vorbei.«
Sie nickte schwach und gab uns die Adresse eines Hotels an der Park Avenue. Dann ging sie wieder. Gleich darauf stürzte Steve Dillaggio in den Raum.
»Die Kleinarbeit hat sich gelohnt«, brummte er.
»Was hat es gegeben?« fragte Mr. High.
»Wir haben die Patrolmen, die dieser Derridge überwältigt hat, ausgequetscht wie eine Zitrone.«
»Was kam dabei heraus?«
»Sie erinnerten sich, daß ganz in der Nähe des Überfalls zur Tatzeit ein Thunderbird gestanden hat. Die Krankenschwester vom St. Vincent's Hospital hat übrigens auch den Wagen gesehen.«
»Nicht genau genug. Es gibt zu viele Thunderbird in New York.«
»Dachte ich auch zuerst«, stimmte Steve Dillaggio zu. »Dann entdeckten wir aber noch etwas anderes: Red Heaston fuhr
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