0471 - Im Wartesaal des Todes
Streifenwagen war Sergeant Ed Schulze. Ihm drohte das übelste Mißgeschick. Aus Notwehr sollte er zum unfreiwilligen Komplicen einer Mörderin werden. Aber Ed Schulze hatte davon noch keine Ahnung. Ruhig und systematisch überprüfte er die Ladung seiner Waffe.
***
Sie hatte es geschafft, unbemerkt wieder in den fünften Stock zu kommen. Das Stück Papier im Schloß der Tür von Zimmer 575 hatte gute Dienste geleistet. Die Tür stand noch angelehnt.
Sie entfernte den Papierfetzen, schloß die Tür hinter sich und setzte sich in einen Sessel. Jetzt mußte sie warten. Zweifel an ihrem teuflischen Plan kamen in ihr auf.
Sie wußte, daß sie um ihr Leben spielte. In den vergangenen Jahren hatte sie nichts anderes gemacht. Von ihrer Mutter war sie zum Haß erzogen worden. Sie war intelligent, durchtrieben, grausam.
Ihre Gedanken hatten in den letzten Jahren nur ein Ziel gekannt: Rache. Rache an dem Mann, der durch seine Schrulligkeit ein Familienleben zerstört hatte und dem sie vorwarf, ihre Karriere zunichte gemacht zu haben.
Aber sie spürte in diesen Minuten des Wartens auch die Angst. Die Angst, daß ihr Plan fehlschlagen würde.
Sie selbst schätzte sich schlauer ein als andere Verbrecher. Sie hatte Morde und Diebstähle verüben lassen. Und sie wußte von der Arbeit der Polizei. Sie kannte das zähe Ringen der Beamten bei der Aufklärung eines Verbrechens. Sie wußte, daß das FBI und die Stadtpolizei nicht eher ruhen würden, bis der Täter gestellt war.
Auch damit rechnete sie. Sie wollte der Polizei einen Schuldigen liefern. Einen richtig Schuldigen, versteht sich. Keinen Menschen, der die Verbrechen nur untergeschoben bekommt, sondern jemanden, der sie auf ihren Befehl hatte ausführen lassen.
Aber nicht aus Sühne oder Gerechtigkeit machte sie das. Sie handelte eiskalt und überlegt. Sie präsentierte einen Täter, um dadurch die einzige Verbindung zu sich abzuschneiden.
Sie wußte, daß dieser Täter nicht mehr aussagen durfte. Er mußte tot sein, wenn er der Polizei in die Hände fiel. Und es mußten Beweise gegen ihn vorliegen. Eindeutige Beweise.
Sie saß in diesem Hotelzimmer, und was sie plante, war ein eiskalter Mord.
Sie hatte den größten Teil des Geldes in Sicherheit gebracht. Der kleine Schlüssel des Bahnhofsschließfaches klimperte in ihrer Tasche. Dort lag die Beute.
Ihre Nervosität steigerte sich von Sekunde zu Sekunde. Sie steckte sich eine Zigarette an und merkte, daß ihre Hand dabei zitterte.
Sie versuchte über sich selbst zu lächeln, aber es gelang ihr einfach nicht. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus. Leise stand sie auf und ging zur Tür.
Ihr Ohr preßte sich an das kühle Holz, und sie lauschte.
Dann endlich — etwas mehr als acht Minuten waren vergangen — hörte sie einen Fahrstuhl halten.
Die schweren Schritte mehrerer Männer, deren Geräusche selbst der dicke Teppich nicht ganz verschlucken konnte, näherten sich.
Ihr Gesicht spannte sich. Es glich jetzt einer Maske. Sie fühlte, wie das Blut in ihren Schläfen pochte. Dann atmete sie tief durch.
Die Schritte kamen näher. Vor Zimmer 576 machten sie halt.
Sie hörte, wie ein Schlüssel ins Schloß gesteckt wurde, und lief schnell zur Badezimmertür herüber.
Einige Augenblicke war es ganz still. Sie hörte nichts. Dann betrat jemand das Bad.
Undeutlich drang Stimmengewirr an ihr Ohr. Doch sie konnte nicht verstehen, was auf der anderen Seite der Tür gesprochen wurde.
Dann war es wieder totenstill.
Schließlich hörte sie, wie sich ein Schlüssel langsam in der Tür von Zimmer 575 drehte.
Befreit atmete sie auf. Nora Cummings war gekommen. Lautlos hatte sie sich über den Gang gepirscht. Jetzt war sie da, und jetzt war die Stunde gekommen, auf die Leila Reynolds die ganze Zeit fieberhaft gewartet hatte.
***
Ich sah die Mordlust in seinen Augen, und ich sah den Tod auf mich zustoßen. In diesem Augenblick bellte ein Schuß auf. Trocken peitschend, beinahe unwirklich.
Der Arm des Verbrechers erstarrte mitten im Hieb. Das Gesicht des Mannes wurde von einem ungläubigen Staunen verzerrt. Das Messer fiel kraftlos aus seiner Hand, schlug zu Boden und blieb mit der Klinge in der Erde einen Daumennagel breit von meiner Kehle wippend stecken.
»Los, aufstehen! Keine Bewegung, sonst knallt es sofort!« hörte ich wie aus weiter Ferne die Stimme meines Freundes Phil.
Well, er hatte genug Zeit gehabt, den Knockout zu verdauen, und stand wieder auf den Beinen. Eine Pistole lag in seiner Hand, als wäre
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