0471 - Schandturm der Templer
Kapelle.«
»Und wir?«
Unter der Kapuze war das Gesicht nur undeutlich zu erkennen. Ich glaubte aber, ein Lächeln zu sehen.
»Was rückwärts führt, das gelingt auch in die andere Richtung. Baphomeths Geburt haben wir nicht verhindern können. Er wird seine Macht ausbreiten. An euch, die wir ihn kennen, stellen wir die Forderung. Stoppt ihn, wo immer ihr auf ihn und seine Diener trefft. Er darf nicht so mächtig werden, daß er die Menschen unterdrückt und ihnen seinen Willen aufzwängt. Das ist meine Forderung an euch, bevor wir uns zur endgültigen Ruhe legen. Wir spüren, daß unsere Schuld gesühnt ist. Eine andere Dimension wird unsere Seelen aufnehmen. Sie lockte bereits mit Klängen, die kein Mensch je gehört hat. Sie…«
Vor meinen Augen verschwammen die Türme, die Gesichter, der Pfahl und auch die tote Dominique.
Die Zeiten schoben sich zusammen, packten mich, bildeten eine Lücke, und die Schwärze fraß mich auf wie das gierige Maul eines Ungeheuers…
Ich fror!
***
Ob es Suko ähnlich ging, wußte ich nicht, dafür hörte ich ihn sprechen. »Ich kann mich bewegen, John.«
Die Worte gaben mir Mut. Mit einem Ruck richtete ich mich auf, blieb sitzen, spürte den dumpfen Druck im Kopf und auch die leichten Schmerzen, aber das alles war vergessen, als wir in die Dunkelheit schauten und schwach die Umrisse der alten Grabsteine sahen.
Ich blickte zur Seite. Suko saß ebenfalls in der offenen Totenkiste und hatte zu mir geschaut. Er fuhr über sein Gesicht. »Sag ehrlich, haben wir geträumt?«
»Ich glaube nicht.«
»Dann erinnerst auch du dich an ein Mädchen namens Dominique, an eine Burg, die Türme und den Schädel…«
Ich hatte Mühe, meine Beine hochzuheben und aus der Totenkiste zu klettern. Suko erging es besser.
»Bist du okay?« fragte er besorgt.
»So gerade noch.«
Suko deutete nach vorn. »Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir hier einmal van Akkeren und die Horror-Reiter gesehen.«
»Du täuschst dich nicht.«
»Und jetzt?«
Mir war bereits beim Verlassen des Sargs etwas aufgefallen. Jetzt ging ich vor und schaute genauer hin. Sie lagen zwischen den Gräbern, auf den Wegen, den Grabsteinen und Platten. Eine graue widerliche Masse.
Ratten…
Tote Ratten!
Ich schluckte meinen leichten Ekel herunter und wischte mit dem Handrücken über die Stirn. Dann nickte ich meinem Freund zu. »Willst du etwas sagen?«
»Nein, aber die Ratten sind ein Beweis dafür, daß Baphometh tatsächlich hier gewesen ist.«
Er hatte sie im Stich gelassen und sie getötet, aus welchem Grunde auch immer. Wahrscheinlich in einem Anfall von Haß, weil sie uns nicht zernagt hatten.
Wir verließen den Friedhof, ohne daß wir aufgehalten wurden. Irgendwann fanden wir ein Taxi und ließen uns in die Nähe des Hotels bringen. Zum Glück waren wir nicht bis dicht vor das Hotel gefahren, denn die Gasse war hell erleuchtet, und es wimmelte von Polizei. Wir erfuhren aus Gesprächen der Neugierigen, daß es Tote gegeben hatte.
»Sollen wir uns zu erkennen geben?« fragte Suko.
»Es ist besser.«
Die französischen Kollegen waren nicht begeistert, daß wir uns in Paris aufhielten. Aber ich kannte einige Beamte und konnte die Bedenken anderer zerstreuen.
Man hätte uns natürlich nicht geglaubt, deshalb mußten wir die Wahrheit ein wenig umgehen.
Sorgen bereitete uns auch das Verschwinden des Abbés. Wir hätten seinen Aufenthaltsort gern erfahren, aber da war nichts zu machen. Und auch von van Akkeren hörten wir nichts.
Am nächsten Tag gingen die Ermittlungen weiter. Ich telefonierte mit London, und Sir James bat uns, wieder zurückzukommen. Er regelte das mit den französischen Kollegen.
So bestiegen wir am Nachmittag ein Flugzeug, das uns in die Heimat brachte.
Dort angekommen, sagte Suko zu mir: »Weißt du eigentlich, John, daß wir morgen Weihnachten haben?«
Ich schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »Das hatte ich glatt vergessen.«
»Ich nicht.« Sukos Stimme klang bedrückt. »Ein Fest ohne Shao.« Er hob die Schultern. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll…«
»Am besten denkst du nicht daran, Alter«, erwiderte ich und schaute in die vom Himmel fallenden, tanzenden Schneeflocken…
ENDE des Zweiteilers
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