0471 - Schandturm der Templer
Auch spürte ich die Nässe am rechten Haaransatz. Dort mußte von einem Treffer die Haut aufgeplatzt und Blut aus der Wunde gelaufen sein.
Wie lange ich bewußtlos gewesen war, konnte ich nicht bestimmen. Jedenfalls war der Tag noch nicht angebrochen. Die Dunkelheit lag auch weiterhin über dem Land, doch etwas hatte sich verändert. Ich konnte es nur mühsam erkennen und begreifen, glaubte auch zuerst an eine optische Täuschung, aber die war es nicht.
Durch das nächtliche Dunkel zog sich tatsächlich ein dunkelroter Schein, als hätte jemand ein gewaltiges, mit Blut gefülltes Gefäß ausgekippt.
Blut und Finsternis.
Zwei Dinge, die zusammengehörten, legte man schwarzmagische Perspektiven an.
Ich aber war kein Dämon, kein Magier, ich stand leider innerhalb des Zentrums.
Zwar blieb der Schmerz, aber ich war es gewohnt, aus ähnlichen Situationen zu erwachen und schaffte es auch, darüber nachzudenken.
Zunächst konzentrierte ich mich auf meine nähere Umgebung. Meine Beine waren frei, doch die Arme konnte ich nicht bewegen. Sie waren nach hinten gezerrt und dort festgebunden worden, wobei die Stricke auch noch um meinen Körper liefen.
Und der harte Gegenstand in meinem Rücken war ein Pfahl!
Jetzt kam die Erinnerung wieder zurück. Ich sah mich vor der Burg stehen und hinaufschauen.
Vier Türme, vier Pfähle!
Wie karge Arme ragten sie in die Höhe und waren im Steinboden des Turms verschalt.
Es war genau das eingetreten, wovor ich mich gefürchtet hatte. Ich hing gefesselt am Schandturm der Templer, und wahrscheinlich war es nicht nur mir so ergangen.
Einige Minuten Erholung gönnte ich mir, um danach den Kopf vorsichtig zu bewegen. Es klappte, ohne daß große Schmerzwellen durch den Schädel schossen. Mein Blick glitt über das Verbindungsstück der Mauer zwischen den beiden Türmen. Das rötliche Licht gab soviel Schein ab, daß ich auch den nächsten Turm sehen konnte.
Dort stand ebenfalls jemand gefesselt an einem dieser verdammten Pfähle und hielt den Kopf gesenkt. Das lange Blondhaar wehte im Wind. Also hatten sie auch Dominique erwischt. Sie würde das gleiche Schicksal erleiden wie ich.
War Suko vielleicht die Flucht gelungen?
In den letzten Sekunden vor meinem Blackout hatte ich ihn kaum gesehen. Ich wußte nur, daß er sich verzweifelt gewehrt, es aber bestimmt nicht geschafft hatte.
Und richtig.
Suko stand links von mir. Er war ebenfalls aus seinem Zustand erwacht und bekam mit, daß ich den Kopf gedreht hatte. Im selben Augenblick schrie er mir etwas zu. Dabei mußte er sich anstrengen, denn der hier oben wehende Wind riß ihm die Worte vom Mund.
»Keine Chance, John. Sie haben uns fertiggemacht wie die kleinen Kinder.«
»Hast du sie gesehen?« rief ich zurück.
»Noch nicht. Nur gehört. Sie müssen sich vor der Burg befinden. Ich vernahm Stimmen und auch das Klirren von Pferdehufen.«
»Kannst du dir vorstellen, was sie damit bezwecken?«
Suko lachte sogar. »Denk mal darüber nach, was die Indianer getan haben, als sie ihre Gefangenen an den Marterpfahl banden.«
»Danke, darauf verzichte ich.«
»Die Fesseln sitzen verdammt stramm. Ich habe schon versucht, sie zu lockern, war aber nichts drin. Hier können wir nur auf ein Wunder warten, John.«
Suko befand sich zwar in der gleichen Lage wie ich, dennoch stand er zur Quelle des Lichtscheins günstiger. Ich fragte ihn nach der Ursache des Scheins und bekam auch prompt die Antwort.
»Es ist das T, John.«
»Wieso?«
»Das T der Templer. Übergroß wächst es aus dem Boden des Turms hoch und ist blutrot.«
Mir verschlug es die Sprache. Ich kannte das Zeichen natürlich. Es konnte positiv als auch negativ gewertet werden. Da war man sich eigentlich nie sicher.
In diesem Falle aber glaubte ich an eine negative Wertung. Dieser Buchstabe war in der Lage, den Tod zu bringen, aber auch das Leben.
»Und vergiß den Schädel nicht, John!«
Suko sagte die Worte in dem Moment, als wieder eine Schmerzwelle durch meinen Kopf raste. Ich preßte die Zähne zusammen und schwieg zunächst. Dafür konzentrierte ich mich auf meine nähere Umgebung. Die Fesseln ließen mir einen gewissen Spielraum. Nicht allein den Kopf konnte ich nach vorn bewegen, auch meinen Oberkörper, so daß sich der Blickwinkel veränderte.
Mir gelang es, über den Rand des Turms hinweg, in die Tiefe zu schauen.
Im Burghof sah ich die Reiter!
Es mußten die Männer aus Belpech sein. Sie hatten sich im Burghof versammelt, hockten auf den Rücken ihrer
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