0474 - Der Hexenstein
in der normalen Formation. Die Stühle hatte man mit den Sitzflächen auf die Tische gestellt.
Alles bestand aus Holz. Die hellen Wände, die Balken unter der Decke, Tische, Stühle. Es wirkte trotz der Kälte und Leere noch immer gemütlich.
Dafür hatte ein Untoter keinen Blick. Zudem mußte er noch eine bestimmte Aufgabe erledigen.
Er wollte die Gasternbibel!
Nach rechts mußte der Gast gehen, um die kleine Theke zu erreichen, hinter der sich ein Regal befand, in dem noch die Schnapsflaschen standen. Manche mehr, andere weniger gefüllt. Das Regal selbst wurde vom Durchgang einer offenstehenden Tür unterbrochen. Dahinter lag, ziemlich groß, eine Küche, in der die Gerichte zubereitet wurden, die auf der kleinen Speisekarte standen. Sehr einfache und schmackhafte Mahlzeiten, wie man sie fast überall in den Berggasthöfen erhielt.
Für so etwas hatte ein lebender Toter keinen Sinn. Seine Aufgabe war eine andere.
Und er hörte die Stimme. In der Ferne war sie aufgeklungen, als lägen Galaxien dazwischen. Aber er wußte sofort, daß seine große Helferin, die Hexe, zu ihm gesprochen hatte.
»Ich spüre, daß du am Ziel sein mußt, Thomas. Stimmt das?«
»Ja.«
Sie lachte leise, und auch dieses Lachen vernahm er relativ deutlich. Danach fragte sie. »Ist dir nicht aufgefallen, daß du dich als Zombie gedanklich mit mir unterhalten kannst? So etwas ist einem lebenden Toten sonst nicht gegeben, aber du kannst es, und das ist das Besondere an dir, mein Freund. Ich habe dafür gesorgt, daß du so etwas wie Verstand bekommst. Du kannst mich hören, verstehen und begreifen. Deinen Artgenossen ist dies nicht gegeben. Allein durch meine Kraft war es möglich…«
»Was soll ich tun?«
»Die Gasternbibel holen.«
»Ich sehe sie nicht.«
»Das kann ich mir denken. Die Leute halten sie immer gut versteckt. Geh dorthin, wo sie im Sommer schlafen. Ich bin sicher, daß du sie an diesem Ort finden wirst.«
»Ja, ich gehe.«
Schwerfällig ging der Zombie auf die Theke zu. Dort stützte er sich für einen Moment ab, gab sich Schwung und erreichte den Durchgang zur Theke.
Von dort schaute er in die saubere und aufgeräumte Küche, wo die Platte des großen Ofens glänzte und die Töpfe und Pfannen in den Regalen standen oder an Haken an der Wand hingen.
Der Zombie entdeckte auch weitere Türen. Welche er genau nehmen mußte, wußte er nicht. Er probierte die rechte und erreichte einen schmalen Flur. Die sehr enge Treppe wand sich in die obere Etage, wo sich die kleinen Gästezimmer befanden. Sie lagen noch über dem Anbau, der das Matratzenlager beherbergte.
Thomas zog sich wieder zurück. Er wollte die zweite Tür nehmen. Als er sie aufgezogen hatte, fiel sein Blick in das Schlafzimmer, wo zwei hölzerne Betten standen. Sie waren so angestrichen wie die Decke und der Fußboden.
Hier sollte sich die Bibel befinden. Erst als Thomas in das Zimmer hineingegangen war, entdeckte er den Holzschrank an der rechten Wandseite. Er war ziemlich breit und hatte fünf Türen, die allesamt offenstanden. Deshalb sah er auch in der äußerst linken Tür das verschlossene Fach. Es hatte eine Klappe und an der rechten Seite ein Zylinderschloß.
Einen Schlüssel besaß Thomas nicht, ihm reichte die Axt. Er benötigte zwei kräftige Schläge, um das Fach zu öffnen. Dabei flogen ihm die Holzsplitter um die Ohren. Daß einer davon in seiner rechten Wange steckenblieb, störte ihn nicht. Es quoll auch nicht ein Tropfen Blut aus der Wunde.
Der Zombie hatte das Fach mit vorsichtigen Schlägen geöffnet, er wollte seine Beute auf keinen Fall zerstören.
Mit der Hand griff er in das Fach hinein und umklammerte die so wertvolle Bibel.
Es war ein sehr dickes Buch. Ungefähr 40 cm lang und 30 cm breit. An den beiden Deckelkanten befanden sich braune Metallbeschläge. Obwohl es schon fast 300 Jahre alt war, zeigte sich dieses Buch noch gut erhalten. Thomas klemmte seine Beute unter den linken Arm, drehte sich um und verließ den Raum. Als er die Küche durchwanderte, hörte er die Stimme der Gastern-Hexe in seinem Kopf.
»Du hast das Buch, nicht wahr? Ich spüre es genau. Es befindet sich in deinem Besitz.«
»Ja.«
»Dann schlage eine bestimmte Seite auf, die ich dir gleich nennen werde.«
Erst in der Gaststube erhielt der Zombie die neueste Information. Ihm wurde auch geraten, das Buch sehr vorsichtig zu behandeln, nichts sollte zerstört werden.
»Es ist ziemlich vorn. Im Jahre 1699 mußt du nachschauen. Dort wirst du den Spruch
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