0474 - Nummer 1 wird abserviert
standen die Namen der Leute, die zur Zeit noch Unterricht bei Cashetts Fahrschule nahmen. Ich überflog die Namen. »Hör zu, Phil!« sagte ich. »Mit der Vergangenheit haben wir nichts erreicht. Ab morgen werden wir uns um die Gegenwart kümmern.«
Ich zählte die Namen. »Achtundzwanzig! Wollen wir ausknobeln, wer wen auf sucht?«
Phil gähnte. »Ich nehme die zweite Hälfte.«
***
Der erste Name auf meiner Liste lautete: Ezzard Duck, die Adresse: East 24. Straße 302, die Berufsbezeichnung: Anwalt.
Ich erinnerte mich, den Namen schon gehört zu haben. Damals, als ich mit Cashett zu Glydes Wohnung fuhr, weil Glyde verschwunden war, hatte er seiner Sekretärin zugerufen, Mr. Duck solle seine Fahrstunde im Cadillac statt im Thunderbird absolvieren.
Als ich den Träger des etwas lächerlichen Namens zu Gesicht bekam, saß er hinter einem schweren Schreibtisch und sah durchaus nicht lächerlich aus:
ein sehniger, schmaler Mann mit eisgrauem, kurzgeschnittenen Haar und einer randlosen Brille. Die Wohnung diente ihm offenbar gleichzeitig als Büro.
»Sie wünschen?« Seine Stimme besaß einen eisigen und zugleich schneidenden Klang.
Ich zeigte ihm den FBI-Ausweis. Er schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Immerhin bot er mir einen Stuhl an. »Sie nehmen Fahrunterricht in der Manhattan Driving School?«
»Hat das FBI etwas dagegen?«
»Müssen Sie noch lernen, einen Wagen zu fahren?«
Er lächelte dünn. »Ich verstehe, daß Sie sich darüber wundem. Tatsächlich besitze ich seit zwanzig .Jahren einen Führerschein. Seit zehn Jahren verdiene ich Geld genug, um mir einen Chauffeur leisten zu können, ich habe bis vor wenigen Wochen diese zehn Jahre lang kein Steuerrad mehr angefaßt. Seitdem gehe ich, so oft es meine Zeit erlaubt, in die Driving School und frische meine Fahrkenntnisse auf.«
»Warum?«
»Weil ich meinen letzten Chauffeur ebenso wie seine Vorgänger an die Luft .setzen mußte. Er war der achtzehnte Chauffeur in zehn Jahren. Ich bin entschlossen, selbst zu fahren.«
»Warum wechseln Ihre Chauffeure so häufig?«
Er legte die Fingerspitzen gegeneinander. »Ich bin Anwalt, Spezialist für große und teure Zivilprozesse. Die Gegenseite versucht wieder und wieder, meine Schachzüge zu erfahren, bevor ich sie vor Gericht anbringe. Zu diesem Zwecke bestechen meine Gegner meine Angestellten, bevorzugt meine Chauffeure. Keiner der achtzehn erwies sich als unbestechlich. Aus diesem Grunde werde ich in Zukunft selbst fahren.«
»Hat Ihnen jemand die Manhattan Driving School empfohlen?«
Ezzard Duck dachte zehn Sekunden lang nach. »Ich nahm die erste Fahrschule, auf die ich im Telefonbuch stieß.«
»Halten Sie es für möglich, daß einer Ihrer Prozeßgegner fähig wäre, Sie gewaltsam aus dem Wege zu räumen?« Der Rechtsanwalt zuckte die Achseln. »Ich halte die Menschen zu jeder Verrücktheit fähig. Wer verliert, versucht gern, seine Niederlage mit Gewalt auszubügeln.«
In Gedanken setzte ich diesen kalten Anwalt an die Spitze der Leute, die für ein nächstes Verbrechen in Betracht kamen. Ich verabschiedete mich. Er begleitete mich bis zur Tür. »Gestatten Sie mir jetzt eine Frage«, sagte er, während er die Tür öffnete. »Welchen Zweck hatte Ihr Besuch?«
»Ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten/ aber ich empfehle Ihnen, vprsichtig zu sein.«
Er zog die Lippen von den Zähnen und zeigte ein makelloses Gebiß. »Negative oder positive Vorsicht? Soll ich mich hüten, etwas zu unternehmen, soll ich darauf achten, daß mir nichts geschieht?«
»Das müssen Sie selbst entscheiden, Mr. Duck!«
***
Arthur O’Brien wohnte in der 18. Straße. Er stand nicht als nächster auf meiner Liste, aber da seine Wohnung nicht weit von der des Anwaltes lag, suchte ich ihn als nächsten auf.
Genaugenommen wohnte er nicht unmittelbar in der 16., sondern in einer kleinen Sackgasse zwischen zwei großen Wohnblocks. Sein Haus war nur zweistöckig und so schmalbrüstig, daß es von den beiden Blocks fast erdrückt wurde. .
Das Erdgeschoß nahm ein Ladengeschäft ein. In den Schaufenstern standen einige alte Möbel. Die Fenster waren vom Laden durch Vorhänge abgeteilt, so daß man durch sie nicht in das Innere des Ladens blicken konnte. Besonders merkwürdig war es, daß vor dem rechten Schaufenster eine Art Gehsteig angebracht war, der durch ein Geländer gegen die Einfahrt zu einer Tiefgarage geschützt wurde, denn diese Einfahrt befand sich unmittelbar unter dem linken Fenster. Sie senkte
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