0475 - Meine Totenbraut
Holzgerippe waren von Spinnweben kunstvoll geknüpften Netzen umgeben. Die Balken sahen so aus, als würden sie jeden Augenblick nach unten fallen.
Ich hörte Margarethas Schritte, löschte die Lampe und ließ sie wieder verschwinden.
Meine Totenbraut kehrte aus der Richtung zurück, in die sie auch gegangen war. Wieder tauchte sie gespensterhaft auf. Ich wechselte meinen Standort und blieb vor dem Altar stehen.
Schon jetzt erkannte ich, daß sie etwas in den Händen hielt. Es waren zwei lange Stäbe. Erst beim Näherkommen identifizierte ich sie als Kerzen.
»Sie brauchen wir für unsere Trauung. So war es früher, so ist es heute doch auch noch?«
»Sicher«, antwortete ich und nahm die Kerzen entgegen, die sie mir hinhielt.
»Bitte, stelle sie auf den Altar und zünde sie an! Ich werde dabei gern zuschauen.«
»Wozu?«
»Was fragst du, John? Es ist eine heilige Zeremonie, die wir durchführen. Ein Bund, der ewig dauern wird. Ich heirate nicht nur dich, auch Hector de Valois. Das hat sich Diablita damals nicht träumen lassen. Sie war ebenfalls in Hector verliebt, aber sie hat ihn nicht bekommen, doch ich, ich bekomme ihn.«
Was sollte ich darauf noch erwidern? Ich zündete den Docht der ersten Kerze an der Flamme meines Feuerzeugs an, ließ etwas Wachs ab- und auf die Altarplatte tropfen, damit die Kerze den nötigen Halt bekam, wenn sie stand.
Mit der zweiten verfuhr ich ebenso. Margaretha erklärte mir dabei, wie ich die Kerzen aufzustellen hatte. Sie wollte sie dicht am Rand haben, die Mitte blieb frei, wurde aber vom Schein der beiden Feuerzungen erfaßt, die Kreise auf die staubige Fläche malten.
»Ja, das ist gut so«, sagte sie und lächelte.
Es war ein seliges Lächeln, ein Ausdruck, der auch Erinnerungen zeigte. Möglicherweise an die Zeit, die hinter ihr lag, als sie Hector de Valois kennengelernt hatte.
»Bleib stehen, wo du bist«, bat sie mich, ging um den Altar herum und nahm mir gegenüber Aufstellung. »So können wir uns in die Augen sehen.«
In rote Augen, dachte ich, denn die normalen Pupillen waren bei ihr nicht zu sehen. Auch die Lippen schimmerten in der gleichen Farbe, während das übrige Licht vom Widerschein der sich bewegenden, daumengroßen Flammen erfaßt wurde und ein sehr schnell änderndes Muster aus rötlichem Licht und Schatten bekam.
»Bist du bereit?« fragte sie.
»Ja.«
Sie streckte den Arm aus und führte ihn in die breite Lücke zwischen den beiden Kerzen. »Faß mich an, nimm meine Hand und halte sie während der ganzen Trauung fest!«
Noch zögerte ich. Allmählich wurde es ernst. Ich schaute auf die Flammen. Sie bewegten sich im Durchzug, verlöschten aber nicht. Noch immer hatte ich für dieses Problem keine Lösung gefunden.
Alles lief darauf hinaus, daß ich zustimmen mußte, um gleichzeitig das Leben meines Freundes Suko zu retten.
Eine fatale Lage, in die ich mich hineinmanövriert hatte. Zwar wurde ich nicht körperlich attackiert, aber diese unheimliche Person vor mir hatte mich tatsächlich hilflos gemacht.
Zwischen uns stand das Schweigen. Die Einsamkeit umgab uns, eine Leere, die durch Margarethas Stimme ausgefüllt wurde. »Willst du mir deine Hand zum Bund nicht reichen?«
»Hast du es dir auch überlegt?«
»Denk an deinen Freund!« Sehr scharf hatte sie die Worte ausgesprochen. »Noch wartete das Ding, aber er hatte keine Chance.«
»Was geschieht nach der Trauung?« fragte ich mit leicht krächzender Stimme.
»Wir werden in unsere Gemächer gehen.«
»Und Suko?«
»Er kann wieder fahren.«
Verdammt noch mal, ich mußte ihr in meiner Situation einfach glauben. Für sie war es ernst, ich aber würde diese ungewöhnliche Trauung nicht akzeptieren.
Aber mitspielen…
»Ja, so ist es recht«, sagte sie mit völlig veränderter und weich klingender Stimme, als sie sah, daß auch ich meinen Arm hob und die Hand über den Altar streckte.
Ich faßte die anderen Finger an.
Noch immer waren sie kalt wie Eis. Kein Leben steckte in ihnen. Der Tod hatte hier die Übermacht.
Margaretha hatte den Kopf etwas angehoben, weil sie in mein Gesicht schauen wollte. »Mein lieber John«, sagte sie leise. »So wie du meine Hand hältst, wird es auch in Zukunft bleiben. Ich werde jetzt auf dein Kreuz schauen und die Worte sprechen, die du wiederholen mußt, um die Trauung gültig zu machen. Aus der Braut soll eine Frau werden. Hörst du jetzt zu?«
»Ja.«
»Dann sage ich die Worte. Ich, Margaretha Dufour, werde dich, John Sinclair, zu meinem Mann
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