0475 - Meine Totenbraut
die Geschichte der Königskinder praktisch erledigt gewesen, ich jedoch war hier zwischen die Mühlsteine der in der Vergangenheit liegenden Vorgänge geraten und sollte nun das Erbe Hector de Valois' antreten.
Wahnsinn, eine Tote zu ehelichen. So etwas konnte auch nur mir passieren.
Margaretha hatte die Treppe endlich hinter sich gelassen, drehte sich nach links und kam direkt auf mich zu.
Auch ich blickte ihr entgegen und beobachtete sie genau. Zwar berührte sie bei jedem ihrer Schritte den Boden, dennoch bekam ich den Eindruck, daß sie schwebte. Es war ein leichtes Gleiten, mit dem sie sich mir näherte.
Vor mir blieb sie stehen.
Wir schauten uns gegenseitig an.
Es brannte kein Scheinwerfer mehr, draußen war es inzwischen dunkel geworden, dennoch konnte ich die Gestalt sogar ziemlich deutlich erkennen, denn von ihr strahlte ein weißblaues Leuchten ab, das an der Stirn begann und bis zu den bloßen Füssen reichte, denn Schuhwerk trug meine Totenbraut nicht.
Sie streckte ihren Arm vor.
Meine lagen dicht am Körper. Im nächsten Augenblick spürte ich die Berührung an der rechten Hand, die sie mit ihren langen Fingern umklammerte.
Es war eine eiskalte Totenhand!
In Margarethas Adern schien Fischblut zu zirkulieren, so kühl und eisig fühlte sie sich an. Um mich anschauen zu können, mußte sie den Kopf heben.
»Ja, Geliebter, wir gehören zusammen, und wir werden jetzt zur Trauung schreiten.«
Auch das noch, dachte ich, hütete mich jedoch, dies auszusprechen und fragte statt dessen: »Wo soll diese Trauung stattfinden?«
»Hier, in meinem elterlichen Schloß, das wir beide wieder in Besitz nehmen werden.«
»Nein, nein«, sagte ich schnell. »Das wird kaum gehen. Man wird es umbauen, weil…«
»Nichts wird man, Geliebter. Du wirst schon bald erkennen müssen, wie stark ich wirklich bin.«
»Dann hast du auch den Mann vom Gerüst gestürzt?«
»Das war ich. Du hättest dir die Gesichter ansehen müssen, die sie machten, als ich plötzlich erschien.«
»Es war fast ein Mord!«
»Was sollte ich tun? Ich mußte die Menschen weghaben, weil ich mit dir allein sein wollte.«
»Es hätte bestimmt auch anders geklappt.«
Sie hob die Schultern. »Was soll es?! Jetzt sind wir allein und werden zur Trauung schreiten. Komm mit.« Sie faßte mich noch härter an und drückte mich so herum, daß ich nicht anders konnte, als in eine bestimmte Richtung zu gehen.
»Du kennst dich in meinem Schloß nicht aus, Geliebter«, sprach sie mich an. »Ich werde dich deshalb führen, denn du mußt die Räume kennenlernen, in denen du einmal mit mir zusammen wohnen wirst. Sie sind nicht so prächtig wie früher, die lange Zeit hat an ihnen gefressen, aber wir werden alles wieder herrichten. Wir beide, wo sich der eine auf den anderen verlassen kann, wie es bei einem Ehepaar sein muß.«
»Und wer wird uns trauen?« fragte ich.
Sie blieb stehen, auch ich verhielt meinen Schritt. Dies dicht vor einer Tür, die in einer Nische lag und verschlossen war.
»Wir brauchen niemand, der uns traut. Wir schaffen es allein. Du kennst doch die Sprüche, die aufgesagt werden müssen. Ich stelle die Fragen und du wirst mir die entsprechenden Antworten geben. Weshalb sollte sich da noch ein Standesbeamter einmischen? Das dauert auch viel zu lange.«
»Was geschieht danach?«
»Da möchte ich dich überraschen.« Sie drehte mir ihr Gesicht zu und begann zu lächeln.
Ich dachte über diese Überraschung nach. Wie ich die Frau neben mir einschätzte, würden sie böse sein. Ich dachte an Glenda Perkins. Hatte sie mich nicht sehr intensiv vor der Totenbraut gewarnt?
Zwar hatte ich ihre Worte nicht in den Wind geschlagen, aber daß es so ablaufen würde, damit hätte ich nicht gerechnet.
Margaretha Dufour war es tatsächlich gelungen, mich reinzulegen, und ihr Trumpf dabei hatte Suko geheißen. Wie mochte es ihm ergangen sein? Hatte er die Begegnung mit dem mir unbekannten Ding bereits hinter sich. Wenn ja, lebte er noch, oder war er vielleicht schwerverletzt worden und sehnte sich nach Hilfe.
Die Totenbraut neben mir erriet meine Gedanken. »Du brauchst dir keine Sorgen um deinen Freund zu machen. Noch ist er am Leben. Er wird es auch so lange bleiben, wie du das tust, was ich will. Hast du gehört? Stelle dich nie gegen mich! Niemals. Sonst wird das Ding deinen Freund sofort vernichten. Ich kann dir die Schmerzen kaum beschreiben, die er dabei - erdulden muß.«
»Es reicht!«
Sie lachte leise und öffnete die Nischentür.
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