0478 - Der Horror-Kalender
Tischen, wobei er zwei von ihnen umriß.
Mehr brauchte der Inspektor nicht zu sehen. Er wußte sofort, daß die Harpyie zugeschlagen hatte…
***
Auch Javankala war für einen Moment geschockt. Er hatte sich so abrupt und heftig erhoben, daß er mit den Knien unter den Autogrammtisch gestoßen war und diesen gegen die ihn umstehenden Fans gekippt hatte, so daß die Kalender und Zeitschriften von der Platte und zwischen die Beine der Besucher rutschten.
Das alles interessierte den Maler nicht, er hatte nur mehr Augen für Myrthe.
Sie verließ die Kammer. Wie eine Königin aus dem Dunklen Reich kam sie und schwebte über dem Boden. Ihre Flügel bewegten sich dabei so schnell, daß ein normaler Mensch es mit den Augen nicht verfolgen konnte. Nur dieses summende, surrende Geräusch war zu hören. Ein für manche schauriger Klang, der Javankala in Alarmbereitschaft versetzte. Ihm war bekannt, daß Myrthe auch durchdrehen konnte, wenn sie zu stark gereizt wurde. Der Termin des Schreckens war auf Mitternacht festgelegt worden. Er wollte ihn nicht vorziehen.
»Weg da!« schrie der Maler und stieß die Fans, die in seiner unmittelbaren Nähe standen und den Platz versperrten, rücksichtslos zur Seite. Er wußte nicht, ob er sie aufhalten konnte, Myrthe war zwar bei ihm geblieben, doch eine Kontrolle hatte er über dieses Wesen niemals besessen.
Er stolperte auf sie zu und warf dabei einen Blick nach links, wo Bill Conolly unter den Tischen und der Tür begraben lag. Nur seine Beine schauten noch hervor. Der Mann selbst wirkte wie ein Bewußtloser.
Der Maler blieb stehen und hob beide Arme. »Myrthe!« rief er vorwurfsvoll. »Nicht, was tust du?«
»Man störte mich.«
»Laß es…«
»Zu spät Javankala, alles ist zu spät. Die Menschen haben es nicht anders gewollt. Sie sind so neugierig wie früher, und sie besaßen die Frechheit, sich mit mir anzulegen. Sie wollten mich sogar töten, das kann ich nicht zulassen. Ich werde den Valentinstag vorverlegen und ihn zu einem blutigen Tag machen.«
Sie hatte sehr laut gesprochen. Nach den ersten überraschenden Schreien war es still in dem Saal geworden. Keiner verließ ihn. Die Fans starrten auf die neu hinzugekommene Erscheinung, und sie ahnten, daß dieses Wesen kein verkleideter Mensch war. Da ging etwas anderes vor, daß sie nicht begriffen.
Javankala steckte in einer Zwickmühle. Er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Zustimmen, ablehnen? Wenn er letzteres tat, würde er trotzdem nichts erreichen, denn Myrthe ließ sich von ihm einfach nicht ins Handwerk pfuschen.
In seinem Gesicht zuckte es. Noch hatte die Harpyie nur die Tür aufgebrochen, aber in ihren Augen stand der Wille, das Chaos und die Mordlawine schon jetzt auszulösen.
Der Maler senkte den Kopf, ließ die Arme nach unten fallen und hob gleichzeitig die Schultern.
»Tu, was du nicht lassen kannst, ich stehe auf deiner Seite…« Er und die anderen Fans hatten nur Augen für die Harpyie. Aber eine Gestalt verhielt sich anders.
Es war das Phantom der Oper. Mit beiden Händen hielt es die Maske umklammert und zog sie ruckartig vom Kopf…
***
Unter diesem verdammten Ding kam man teuflisch ins Schwitzen. Ich war froh, daß ich die Maske nicht mehr zu tragen brauchte und riß sie endlich ab.
Von wegen im Bett bleiben und sich auskurieren! Das hatten sich Suko und Bill so gedacht. Aber nicht mit mir. Ich hatte keine Lust, mich aufs Abstellgleis schieben zu lassen. Suko war gefahren, und ich hatte gehandelt.
Es war einfach gewesen, sich den Umhang und die Maske von einem Kostümverleih zu besorgen.
So ausgerüstet und unkenntlich gemacht, würde ich auf dem Fantreffen nicht auffallen. Selbst Suko hatte mich nicht erkannt, als wir uns an der Tür begegnet waren. Und es sah so aus, als wäre ich genau im richtigen Moment eingetroffen.
Auch ich hatte Bill aus der Kammer schießen und zwischen die Tische fallen sehen, wo er regungslos erlag und anderen die Initiative überlassen mußte.
Während die beiden miteinander gesprochen hatten, war es mir gelungen, näher an sie heranzukommen. Ich wollte wissen, wo Suko steckte und schaute zur Tür hin.
Er war nicht zu sehen.
Verdammt, dann stand ich dieser gefährlichen Harpyie abermals allein gegenüber.
Die Szene auf dem Dach war mir noch in guter Erinnerung. Selten zuvor hatte mich ein Gegner so vorgeführt wie dieses unheimliche Geschöpf aus dem alten Atlantis.
Diesen Kontinent konnte ich einfach nicht vergessen, auch wenn es so aussah. Immer
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