0479 - Der Blutjäger
das sie alles andere völlig vergessen ließ. »Ich bin gekommen, um Sie einzuladen, Rhiannon«, sagte Sir Ronald.
»Wohin?«
»Zu einer Hochzeitsfeier«, schmunzelte der Earl. »Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken, und ich weiß auch nicht, wie wir auf lange Zeit miteinander harmonieren würden - aber für mich war es, auch wenn es kitschig klingt, Liebe auf den ersten Blick, als ich Sie sah.«
»Hochzeitsfeier? Harmonieren?« stieß sie ungläubig hervor. »Was meinen Sie damit - was soll…?«
Er hob lächelnd die Hand. »Wir werden gemeinsam unsterblich sein«, sagte er. »Bitte - wollen Sie meiner Einladung folgen?«
Sie starrte ihn aus großen Augen an. »Das - das ist ein Heiratsantrag?« vergewisserte sie sich ungläubig.
Er nickte.
Rhiannon schluckte. Sie war diesem Mann verfallen. Ja, sie wollte für immer mit ihm zusammen sein. Dicht vor ihm blieb sie stehen und sah zu ihm auf, der einen Kopf größer war als sie.
»Ich nehme«, sagte sie mit dunkler Stimme, »Ihren Antrag an, Mylord.«
Und sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen.
***
Sid Amos hatte Gryf endlich gefunden. Er erkannte jetzt, weshalb es ihm so schwergefallen war - nicht nur Gryfs mentale Abschirmung trug daran die Schuld, sondern auch eine Veränderung in seinem Innern. In ihm kreiste ein Gift, das ihn zwar nicht zu einem Vampir machte, ihn aber im Sinne des Vampirs beeinflußte.
Amos schüttelte den Kopf. Daß so etwas ausgerechnet Gryf passieren mußte!
Kurz »schaute« Amos noch einmal nach Zamorra. Der unterhielt sich in jenem schottischen Schloß und ahnte nicht einmal, daß er hier gebraucht wurde. Aber Amos war jetzt fest entschlossen, das allein zu regeln. Er konnte es, also würde er es tun - und dabei Pluspunkte sammeln. Das konnte später einmal sehr nützlich sein.
Er folgte dem Druiden unauffällig.
***
Sir Ronald triumphierte. Er hatte es geschafft! Sie war einverstanden, sie würde mit ihm gehen! Die Blutstropfen, welche sie unbemerkt getrunken hatte, wirkten. Rhiannon gehörte jetzt ihm!
Er besiegelte es; nach dem ersten Kuß wanderten seine Lippen über ihre Wangen, dann zum Hals. Und schließlich schenkte er ihr die Unsterblichkeit. Sie zuckte nicht einmal zusammen, als sie seine spitzen Zähne spürte; und er trank auch nur wenig, denn er war noch übersättigt von der vergangenen Nacht in jenem Billighotel. Er trank nur so lange, wie er für den Austausch benötigte. Er trank wenig und schenkte ihr viel, denn er wollte keine Zeit verlieren. Nun floß die Unsterblichkeit auch in ihren Adern. Die Verwandlung begann bereits; sie würde noch vor Einbruch der Nacht abgeschlossen sein. Dann war auch Rhiannon eine Vampirin, und sie und Sir Ronald würden beisammen bleiben bis ans Ende aller Tage.
Er frohlockte. Was immer auch der Druide tat - er kam zu spät; er konnte sie beide nicht mehr voneinander trennen. Und die Falle war bereits aufgestellt.
***
Vor dem Haus blieb Gryf stehen. Er hatte befürchtet, den Rolls-Royce des Vampirs in der Nähe zu sehen, aber das war zu seiner Erleichterung nicht der Fall. Immerhin bestand die Möglichkeit, daß es sich bei dem Blutsauger um einen Tageslichtvampir handelte, und in diesem Fall bestand die Möglichkeit, daß er bereits hier war und dem Druiden auflauerte. So aber konnte Gryf beruhigt aufatmen.
Zu der Überlegung, daß der Wagen möglicherweise in einer Seiten- oder Parallelstraße parkte, war Gryf nicht mehr fähig.
Er fragte sich, ob er einfach anklingeln sollte. Aber Rhiannon hatte ihn zweimal der Wohnung verwiesen; sie würde ihm einfach nicht öffnen. Gryf betrat das Haus dennoch und fuhr mit dem Lift nach oben. Dort wollte er Posten beziehen. Sicher fiel es auf, wenn er längere Zeit in der Etage herumstreifte, aber er verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr daran. Es ging ihm nur um Rhiannon, und vielleicht verließ sie die Wohnung zwischendurch auch, und er konnte ihr dann folgen und auf neutralem Terrain ein weiteres Gespräch suchen.
Als er die Liftkabine verließ und vor Rhiannons Wohnungstür stehenblieb, hörte er Stimmen. Rhiannon hatte Herrenbesuch. Unwillkürlich sondierte Gryf telepathisch - und erkannte, daß der Vampir in der Wohnung war! Er besaß die charakteristische Ausstrahlung, die Gryf nie wieder vergessen würde!
Der Druide erschrak.
Rhiannon war in höchster Gefahr! Er mußte sofort handeln, wenn er ihr noch helfen wollte. Blindlings sprang er in die Wohnung - und stand Rhiannon und dem Blutsauger
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