0479 - Die Nacht der bösen Angela
Motorhaube, die aufdröhnte wie ein geschlagener Gong.
Thomas hatte schon das Gurtschloß gedrückt und stieß die Tür auf. Im Wagen fühlte er sich gefangen wie in einer Zelle. Natürlich war seine letzte Aktion nicht ungehört geblieben. Man hatte ihn auch gesehen. In einem in der Nähe stehenden Haus wurden Fenster aufgerissen, die Haustür zog ebenfalls jemand nach innen, und zwei Männer verließen das Gebäude.
Thomas winkte ihnen heftig zu. »Bleibt zurück!« schrie er dabei. »Kommt nicht her!«
Sie blieben tatsächlich stehen. Auch die aus den Fenstern starrenden Dorfbewohner hatten den Soldaten schreien gehört.
»Was ist denn?« rief eine Frau und beugte sich dabei weiter vor. Fast wäre sie aus dem Fenster gekippt.
Thomas lief rückwärts auf die Straße. »Sie ist gekommen!« brüllte er die Hauptstraße des Dorfes hinunter. »Verdammt, sie ist gekommen! Die böse Angela. Die böse Angela ist da!«
Seine Stimme überschlug sich. Er selbst konnte es nicht glauben. Immer wieder schüttelte er dabei den Kopf und wiederholte den Satz. Jemand faßte ihn an, er schrak zusammen und fuhr herum.
Der alte Meier, ein pensionierter Major, starrte ihn an. »Was hast du da gesagt?«
»Angela!« keuchte Thomas. »Ich… ich habe sie gesehen, verdammt. Sie hat mich verfolgt.«
»Wo ist sie denn?«
»Sie hockte auf meinem Wagen. Jetzt ist sie verschwunden.« Er schlug sich auf den Mund. »Verdammt, wenn die in ein Haus gelaufen ist und die Menschen da angreift…« Er verstummte und starrte den Major aus schockgeweiteten Augen an. »Wissen Sie, was dann passiert? Die saugt den Menschen das Blut aus. Die macht sie zu Vampiren. Die… die…«
»Abwarten!«
»Nein, wir können nicht mehr abwarten. Die böse Angela dreht durch. Die kann unser Dorf vernichten.« Er drehte sich wieder um, schaute auf seinen Wagen und sah in der Nähe eine Gestalt, die sich dicht an der Hauswand entlangbewegte.
»Da ist sie!« schrie er.
Es war sie tatsächlich. Bei jedem Schritt bewegte sich ihr Rock, der in die Höhe schwang. Mit der linken Seite hielt sie sich dicht an der Hauswand, hatte den Kopf vorgeschoben und erinnerte mit ihren Bewegungen an eine Katze, die auf ein Ziel zuschlich.
Inzwischen hatten noch weitere Bewohner ihre Häuser verlassen, blieben jedoch an den Türen stehen. Sie alle sahen die Gestalt der Vampirin, die weiterging und dabei auch in das Licht einer Straßenlaterne geriet, das sie regelrecht überspülte.
Jetzt war sie besser zu erkennen.
Eine Frau faßte ihre Gefühle in einem Satz zusammen. »Wie der Tod!« sagte sie leise und bekreuzigte sich.
Ja, sie erinnerte in ihrer Bleichheit tatsächlich an den Tod, an ein wandelndes Gespenst aus dem Jenseits, das erschienen war, um sich schrecklich zu rächen.
Vor der Einmündung einer schmalen Gasse blieb die böse Angela stehen, drehte sich noch einmal um, warf dabei einen Blick über die Straße und schickte ein häßliches, gleichzeitig auch drohendes Lachen in die Finsternis. Es gellte in den Ohren der Wartenden wider.
Dann tauchte sie in die Gasse ein und wurde von der Finsternis verschluckt.
Bei den Zuschauern löste sich die Spannung. Trotz der Kälte ging keiner zurück in sein Haus oder in die Wohnung. Man stand da und mußte das Erlebte verarbeiten.
Thomas setzte sich als erster in Bewegung. Er lief zu seinem Auto und sah sich die Schäden an. Sie waren nicht so groß, als daß er nicht hätte weiterfahren können. Einige Beulen hatte der R 4, das war auch alles.
An der Heckseite war die Stoßstange verbogen. Da hatte sich die Vampirin festgeklammert und war weitergezogen worden.
»Thomas! Thomas!«
Zweimal wurde sein Name gerufen. Der Soldat drehte sich um. Sein Vater lief über die Straße. Er hatte sich den langen Mantel übergeworfen, ihn aber nicht geschlossen, so daß die Schöße bei jedem Schritt zur Seite schwangen.
Die beiden trafen sich vor dem Wagen. Der Vater umarmte seinen Sohn und flüsterte: »Mein Gott, du hast es überstanden. Das ist herrlich, das ist wunderbar.«
»Ja, ich habe es gepackt.«
»Und du hast sie gesehen? Ich hörte so etwas.«
Thomas nickte. »Es gibt sie. Angela wollte mir an den Kragen. Sie… sie stand vor meinem Wagen. Ich bremste, dann kletterte sie auf das Dach.« Er berichtete mit hastig gesprochenen Worten und sprach so laut, daß auch andere Bewohner angelockt wurden, einen Kreis um Vater und Sohn bildeten und zuhörten.
»Ja«, sagte Gérard Cingar. »Ja, mein Sohn hat recht. Auch ich
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