0479 - Die Nacht der bösen Angela
auch hier seine Spuren hinterlassen. An einigen Stellen lagen noch schmutzige Schneeinseln, die Arme der Büsche sahen aus wie kahle, starre Peitschen und waren manchmal grau wie ein Herbsthimmel.
Bloch schimpfte über die Strecke. Er mußte all seine Fahrkünste aufbieten, um auf dem Weg zu bleiben. Hin und wieder glitten wir durch lange Pfützen, dann spritzte das Wasser an beiden Seiten hoch und klatschte gegen die Außenhaut des Talbot.
Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. So heißt es in einem Lied. Auch dieser Weg hatte für uns ein Ende. Wir erreichten eine Gegend, wo wir wirklich nicht weiterkamen und sogar Mühe hatten, den Wagen zu drehen, damit er wieder in Fahrtrichtung stand.
Wo wir ihn abstellten, war der Boden einigermaßen trocken. »Hoffentlich holen wir uns nicht nur nasse Füße«, meinte der Abbé.
Ich lachte leise. »Willst du noch andere Erfolge?«
»Ja, die böse Angela.«
Ich wiegte den Kopf. »Das Glück einer Begegnung mit ihr werden wir tagsüber wohl kaum haben. Wenn sie tatsächlich ein Vampir ist, hält sie sich versteckt.«
»Vielleicht sogar hier.«
»Das wäre zu schön, um wahr zu sein.« Den Optimismus des Abbé teilte ich nicht und verließ mich zunächst einmal auf die Karte, weil ich feststellen wollte, wo wir uns befanden.
Den Punkt fand ich sehr schnell. Auch der Abbé suchte mit und entdeckte die Quelle zuerst. »Davon ist auch etwas in der Chronik erwähnt worden. Die gibt es immer noch.«
»Sollen wir hingehen?«
»Klar, so haben wir wenigstens ein Ziel.«
Mit dem Wagen wären wir wirklich nicht mehr weitergekommen. Der Boden war einfach zu weich und schwammig. Wir gerieten an Stellen, wo wir selbst fast bis zu den Knöcheln einsanken, und holten uns tatsächlich nasse Füße.
Über Grasinseln stiegen wir hin, platschten durch kleine Rinnsale, störten Vögel in ihrer Ruhe, aber andere Tiere nicht. Dieser Sumpf »schlief« noch.
Etwa eine Viertelstunde hatten wir zu gehen, bis wir das Ziel erreichten.
Beide wunderten wir uns über die veränderte Landschaft, denn wir schauten auf eine Felswand, die vor uns in die Höhe wuchs. Sie war rissig, zeigte Vorsprünge und Kanten und hatte eine Öffnung, aus der Wasser strömte und sein Ziel in einem ebenfalls felsigen Becken fand, von wo es abfloß.
»Da wären wir«, sagte ich.
Der Abbé gab keine Antwort und ging auf die Quelle zu. Ich folgte ihm langsamer, suchte nach Spuren im weichen Boden, entdeckte aber nichts, was auf eine Anwesenheit von Menschen oder Vampiren hingedeutet hätte.
Bloch war vor der Quelle stehengeblieben und wartete mit seiner Frage, bis ich ihn erreicht hatte.
»Weshalb ist diese Quelle in der Chronik erwähnt worden?« fragte er leise.
»Keine Ahnung.«
»Ist sie magisch?«
»Nichts deutet darauf hin.«
Vor unseren Füßen klatschte das Wasser in das Felsbecken. Einige Spritzer erreichten unsere Hosenbeine oder blieben auf dem Leder der schmutzigen Schuhe liegen.
Ich maß die Felswand ab. Sie war vielleicht 3,50 m hoch.
Aus der Öffnung sprudelte das Wasser wie ein breiter Fächer. Schleierartig verteilt, stürzte es in das Felsbecken.
»Irgend etwas ist mit dieser Quelle los!« Der Abbé ließ sich von seiner Meinung einfach nicht abbringen. »Ich habe zwar keine Beweise, doch umsonst wurde sie nicht erwähnt.«
»Wo hat es denn diesen Romain Bloch erwischt?«
»Er stürzte in eine Fallgrube. Wahrscheinlich hat man sie im Wald aufgebaut.«
Mein Blick glitt an der Felswand hoch. Ob wir uns in einem magisch beeinflußten Gebiet befanden, konnte ich nicht feststellen. Mein Kreuz jedenfalls »meldete« sich nicht. Aber die Quelle oder der Wasserfall waren schon etwas Besonderes.
Oft ist es so, daß sich hinter Wasserfällen große Höhleneingänge befinden. Das war hier nicht der Fall. Das Wasser schäumte aus der relativ kleinen Öffnung und breitete sich auf dem Weg in die Tiefe fächerartig aus.
Die Sonne war verschwunden. Der Abbé hatte recht gehabt. Man sollte der winterlichen Morgensonne nie trauen. Wolken bedeckten den Himmel. Vom Boden her stiegen erste lange Dunstfahnen in die Höhe, die sich ausbreiteten.
Dann sah ich die Bewegung!
Zuerst glaubte ich an eine Täuschung, weil ich den Schatten hinter dem Wasser entdeckte.
Nein, ich hatte mich nicht geirrt. Auch der Abbé sah die Gestalt, die dort regungslos auf einem Pferderücken saß. Ich fühlte Blochs Finger an meinem Arm und hörte den gepreßten Atem. »John, wir haben recht, dahinten steht
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