048 - Amöba saugt die Menschen aus
Augenblick so erforderte.
Leben! Das
bedeutete Nahrung für sie. Nahrung gleich auf Anhieb. Sie brauchte nicht noch
weiter zu suchen, nicht weiter an der glatten Schiffswand emporzugleiten. Das
hatte Zeit bis später. Und so kam es, daß keiner der drei Wachposten bemerkte,
wie das Grauen sich, dicht in ihrer Nähe aufhielt.
Es war die
Kabine der schlafenden Natascha.
Sie merkte
nichts, sie ahnte nichts. Der Bordarzt hatte ihr ein
Schlaf- und Beruhigungsmittel verabreicht, und Natascha, die es gewohnt war,
bei geöffnetem Fenster zu schlafen, hatte an diesem Abend mechanisch - trotz
des von ihr beobachteten Vorfalls mit Leo Barapkin -
das Bullauge ihrer Kabine geöffnet.
Das weiße,
formlose, glitschige Etwas rutschte über den Gummiring und landete mit einem
leisen >Flupp< auf dem Fußboden.
Die
Plasmamasse dehnte sich aus und wurde zu einem mannsdicken Teppich, etwa drei
Meter breit und zwei Meter lang. Die ersten Ausläufer der pulsierenden zähen
Masse berührten die Liege. Natascha hatte die dünne Decke weit zurückgeschoben.
In der dumpfen, drückenden Atmosphäre der kleinen Kabine war jedes Stück Stoff
nur eine Belastung. Und so hielt sie es auch beim Schlafen. Nackt, wie die
Natur sie geschaffen hatte, lag sie ausgestreckt in der Koje, atmete tief und
ruhig und ahnte nichts von der tödlichen Gefahr, die sie - im wahrsten Sinne
des Wortes - einzuhüllen drohte.
●
Ein Zufall
ließ sie aufwachen. Ein dumpfes Geräusch an Deck. Natascha seufzte. Die
Burschen droben könnten sich auch etwas leiser verhalten! Dann hörte sie einen
Ruf. Sie begriff nicht, was geschrieen wurde und wer rief, aber im Halbschlaf
kam ihr zu Bewußtsein, daß oben an Deck etwas vorging.
Ein zweiter
Arm der Riesenamöbe hatte sich über die Reling geschoben und glitt wie eine
Schlange auf zwei Wachposten zu, die beisammen standen, eine Zigarette rauchten
und nicht im Traum daran dachten, daß hier etwas Ungewöhnliches,
Ungeheuerliches geschehen könnte.
Als es
passierte, waren sie so überrascht, daß der dritte Wachposten, der die Runde
machte, sie warnen mußte. Im gleichen Augenblick, als er seine Warnung
ausstieß, kam auch der hübschen Natascha zu Bewußtsein, daß Gefahr in ihrer
Kabine drohte.
Sie sah es
nicht, und sie hörte es auch nicht, aber sie fühlte es. Instinktiv. Sie griff
zum Lichtschalter, und das kleine rote Nachttischlämpchen spendete einen
angenehmen, wannen Schein.
Weniger
angenehm allerdings war das, was die junge Russin zu sehen bekam.
Sie sah das
mannsdicke, pulsierende Ungetüm formloser Plasmamasse auf sich zu kriechen.
Natascha
schrie gellend auf. Wie gelähmt blieb sie in der ersten Schrecksekunde liegen,
riß dann den Kopf in die Höhe, wirbelte herum und zog die nackten Beine an.
Blitzschnell
sprang sie auf, stellte sich auf ihre Liege und griff nach der dünnen Decke,
als könnte sie damit zwischen sich und der Riesenamöbe einen unüberwindlichen
Wall schaffen.
Natascha
preßte sich mit den Schultern gegen die warme, glatte Wand. Die Augen der
Russin flackerten, und ihre Blicke gingen zwischen dem breiten, ekelerregenden
Schleimwesen vor ihr und der schmalen Kabinentür hin und her.
Konnte sie es
wagen?
Ihr Hirn
fieberte, das Blut pochte in ihren Schläfen. Sie war noch gar nicht richtig bei
sich und begriff im Grunde genommen gar nicht, was hier eigentlich vorging.
Die Tür ist
abgeschlossen, hämmerte es in ihrem fiebernden Bewußtsein.
Natascha
zitterte. Schweiß perlte auf ihrem Gesicht. Mit einem Mal schrie sie wie von
Sinnen!
Innerhalb von
drei Stunden das gleiche Erlebnis, das war einfach zuviel für ihre
strapazierten Nerven.
Warum hörte
niemand ihre Schreie?
Unruhe auf
Deck! Schritte, viele Stimmen. Auch da oben ging etwas vor. Deshalb merkte
niemand, daß sie sich in tödlicher Gefahr befand, daß sie es aus eigener Kraft
nie schaffen konnte, dem Zugriff dieses schmierigen Ungeheuers zu entgehen.
Natascha saß
in der Falle und hörte nur ihre eigene Stimme, die dröhnend ihren Körper
erfüllte und durch die Kabine hallte, daß die Wände zu bersten schienen.
Dann erfolgte
ein krachendes Geräusch. Es mischte sich in ihr Schreien.
Natascha
begriff nicht, was es war. Sie hatte ihre weit aufgerissenen Augen nur auf das
Wesen gerichtet, das sich jetzt über den Rand der Koje schob. In ihrer Angst
und Verzweiflung schleuderte die Russin die Decke auf das Schleimende, das ihr
am nächsten war.
Die
Plasmamasse umfloß sie sofort.
Die
dunkelbraune Wolldecke
Weitere Kostenlose Bücher