0480 - Satan mischt die Karten
nicht abgeschlossen. Halten Sie sich bitte für weitere Sonderaufträge auf Abruf bereit. Gute Nacht, Marquart.«
Franz Marquart hängte den Hörer ein und rieb sich die Hände. Der Honorarscheck war also schon da -das war prachtvoll. Den konnte er gleich morgen vormittag zur Bank bringen. Und für heute hatte er Feierabend.
An sich wäre er gern noch einmal in die »Königin der Nacht« zurückgekehrt und hätte das Programm genossen. Aber es bestand die Möglichkeit, daß sein Gesicht König auffiel und der sich später an ihn erinnerte. Das wäre unvorteilhaft. Also verzichtete er darauf, der Verlockung nachzugeben. Gemütlich schlenderte er zu seinem Wagen zurück, stieg ein und startete den Motor. Zu Hause war es schließlich auch recht gemütlich.
Und außerdem freute er sich schon darauf, den Honorarscheck aus dem Briefkasten zu fischen und andächtig auf die hoffentlich große Zahl zu schauen.
***
»Moment« sagte König schnell. »Wie war das, bitte? Ich sterbe durch einen Verkehrsunfall? In dieser Nacht?«
Romana saß vor ihm wie versteinert. Aus plötzlich verschleierten Augen sah sie ihn an. Aber dann gewann sie ihre Fassung zurück.
»Es war ein Scherz, mein Herr«, sagte sie.
Dr. König schüttelte den Kopf. »Das war kein Scherz, meine Teuerste. Das war auch keine makabre Retourkutsche für ihre etwas verrückte Blumenstraußgeschichte. Warum wollten Sie mich unbedingt auf diese plumpe Art kennenlernen? Warum ausgerechnet hier? Und warum wollen Sie sich jetzt wichtig machen, indem Sie meinen Tod prophezeien?«
»Nicht ich tue das, sondern…« Sie verstummte jäh, erkennend, daß sie ihren Fehler jetzt nur noch ins Unermeßliche vergrößert hatte. Und prompt griff ihr Gegenüber nach dem Stachel und drehte ihn in der Wunde.
»Versuchen Sie nicht, mich für dumm zu verkaufen«, sagte er leise genug, um den Inhalt des peinlichen Gesprächs nicht an den Nachbartischen bekannt werden zu lassen -wofür Romana ihm herzlich dankbar war. »Kartenleger und Wahrsager, ganz gleich, ob sie auf dem Jahrmarkt auftreten oder im Zirkus oder in Varietés, haben eine ganz bestimmte Grundregel, und die lautet: Weissage deinem Kunden niemals Böses. Sage ihm nur Positives. Romana, warum haben Sie gegen diese Regel verstoßen?«
»Es - es war ein dummer Scherz«, wiederholte sie.
»Das glaube ich Ihnen nicht«, erwiderte er. »Dahinter steckte Absicht. Jemand will mich verunsichern. Wer bezahlt Sie für diese Unheilsprophezeiung, Romana? Diese Annäherung und Ihr unheilvoller Spruch vor dem planmäßigen, angeblichen Erschrecken - das ist doch alles nicht echt.«
»Bitte, mein Herr, glauben Sie mir -es muß ein Mißverständnis, ein Irrtum sein« sagte sie leise. »Ich verstehe es nicht, welcher Teufel mich geritten hat.«
»Beim nächsten Mal«, sagte König kalt, »lassen Sie sich etwas Besseres einfallen, okay? Ich hoffe, Sie haben eine genügend große Vase für die Blumen, denn ich habe keine Verwendung dafür.«
Er erhob sich und verließ den Raum.
Romana sah ihm entgeistert nach. Eine solche Reaktion hatte sie noch nie erlebt. Aber dieser Mann war auch kein gewöhnlicher Klient, kein normaler Besucher der »Königin der Nacht« und ihrer Showveranstaltungen. Dies war der Mann aus ihren Alpträumen. Sie mußte das morgen unbedingt Dr. Regbach mitteilen!
Seltsamerweise fand sie sehr schnell zu ihrer Ruhe zurück. Vielleicht war auch das eine Auswirkung des Parascience- Konzepts. Wenn ja, konnte das nur gut für sie sein.
Wie auch immer - Vorwürfe mußte sie sich machen. Dieser Fremde hatte recht; es verstieß in der Tat gegen die Prinzipien der Wahrsagerei, den Kunden Unheil zu prophezeien, selbst wenn sie wie in diesem Fall für ihre Zukunftsdeutung nichts zu zahlen hatten, weil das zum vom Betreiber des Lokals bezahlten Programm gehörte.
Romana wandte sich anderen Tischen zu und legte die Karten aus. Später war sie heilfroh, als alles vorbei war und sie ihre spärliche Bühnenkleidung wieder gegen die normale tauschen konnte - obgleich der überaus knappe Bikini beim derzeitigen Klima selbst um Mitternacht noch fast zuviel des Guten war. Die über Europa lastende Hitzewelle, die die Landwirtschaft in ein sich ständig vergrößerndes Chaos stürzte, wollte einfach kein Ende mehr nehmen, und wenn es mal regnete, war es entweder zu wenig, oder so viel auf einmal, daß der ausgedörrte Poden die Wassermengen gar nicht aulnehmen konnte.
Sie freute sich schon auf ihren Feierabend und dachte an die
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