0483 - Das Girl, das zuviel wußte
trug eine schwarze Cordsamthose und ein schwarzes Hemd. Darüber eine Art Poncho aus buntem mexikanischem Leinen. Die Hand, die den Revolver in meine Seite druckte, war schmalgliederig und lang.
Der andere, der Bertie genannt worden war, wog mindestens zwei Zentner. Er war gute acht Fuß groß, hatte ein breitflächiges Gesicht, einen wulstigen Mund und die wasserhellen Augen eines Seemannes. Er trug einen langen verfilzten Pullover aus grauer Wolle und Hosen in derselben Farbe. Auf dem Kopf saß eine flache Baskenmütze, die ebenso wie die Hose und der Pullover mit Farbspritzern bekleckst war.
Auf einen Wink des Sanften hin zog er mit einer routinierten Bewegung die Waffe aus der Halfter und ließ sie in der Hand liegen. Der Fahrer reihte den Wagen in den Verkehr ein und lenkte ihn nach Norden.
»Gib sie ihm leer zurück!« ordnete der Sanfte an.
»Bist du verrückt, Jones?« protestierte Bertie. »Das ist eine ausgezeichnete Waffe. Eine 38er Special. So etwas wünsche ich mir schon lange!«
»Tu, was ich dir gesagt habe. Es ist eine Polizistenwaffe. Und ein Bulle, der durch Unfall stirbt, muß seine Waffe bei sich haben, sonst sieht das verdächtig aus!« antwortete der sanfte Jones geduldig und ruhig, als würde er einem Kind etwas erklären. Bertie knurrte, ließ aber die Patronen aus der Waffe in seine Hand fallen und schob mir die leere Waffe wieder zu.
Jones ließ seinen Revolver etwas sinken, behielt ihn aber immer noch auf den Knien, die Mündung auf meinen Magen gerichtet.
Der Wagen hatte das Ende des Central Parks erreicht und bog nach links ab.
Ich machte mir im Moment nicht viel Gedanken um meine Zukunft. Aber ich zermarterte mein Hirn danach, was der Name »Jenny-Row« bedeuten konnte.
Denn eins war mir klargeworden.
Hank Davis war unterwegs zu einem Treffen mit dem Boß der Gang, und er würde dieses Treffen nicht überleben, wenn es mir nicht gelang, etwas zu unternehmen. Hank Davis war zweifellos ein unsympathischer Bursche, aber er war kein Berufsgangster. Und bei dem Austausch der Schmuckstücke war etwas schiefgelaufen, und er würde derjenige 9ein, der es als erster auszubaden hatte.
***
Der Pontiac hatte die Eighth Avenue erreicht und fuhr wieder nach links, zurück nach Süden.
»Sofort zu Jenny’s?« fragte der Fahrer.
»No«, sagte der Sanfte. »Wir wollen erst unseren Freund loswerden.«
»Der Boß sieht es nicht gern, wenn Cops beseitigt werden!« sagte der Fahrer. Er drehte sein Gesicht halb zu uns herum und warf Jones einen schnellen Blick zu. Er hatte ein scharfgeschnittenes Adlergesicht mit einem vorspringenden Kinn und schmalen Lippen.
»Nein«, gab Jones leise zurück. »Er sieht es nicht gern, deshalb werden wir es ja auch vorher erledigen.«
»Mir gefällt das nicht, ich sehe nicht ein, wozu das notwendig sein soll!« brummte der Fahrer und ging etwas mit dem Gas herunter.
Jones lachte leise auf.
»Es gibt mehrere Gründe. Er weiß zum Beispiel zuviel. Und du redest mir zuviel, wenn du verstehst, was ich meine!«
Seine sanfte Stimme schien die beabsichtigte Wirkung auf den Fahrer auszuüben, denn er drehte sich wieder nach vorn und gab mehr Gas.
Der Pontiac glitt unter der ersten Broadway-Unterführung hindurch. Keine zwei Häuserblocks weiter lag das FBI-Gebäude, aber das nützte mir im Augenblick reichlich wenig.
Bis jetzt war der Wagen ohne Beleuchtung gefahren. Vor der Unterführung schaltete der adlemasige Fahrer die Scheinwerfer ein, und als wir wieder herauskamen, ließ er sie brennen. Die Dämmerung ist kurz in New York, und die Dunkelheit war wie ein schwarzer Sack über uns gefallen.
Die beiden Männer neben mir schwiegen. Bertie starrte mißmutig aus dem Fenster, seine Hände lagen auf seinen Knien, sie ballten sich unaufhörlich zu Fäusten und entspannten sich wieder.
Jones, der Sanfte, lag völlig entspannt in die weichen Polster des Pontiac zurückgelehnt, als würden wir nur eine kleine Spazierfahrt unternehmen.! Sie mußten ihrer Sache sehr sicher sein,! denn sie hatten nicht einmal den Versuch gemacht, mich nach einer zweiten Waffe zu untersuchen oder mir die Re-1 servepatronen abzunehmen. Aber selbst j wenn ich einen zweiten Revolver ge-; habt hätte, die Kugel aus Jones’ Waffe hätte mich getroffen, bevor meine Hand auch nur den halben Weg zu meinem Schießeisen zurückgelegt hätte.
»Ihr Boß hat recht«, sagte ich endlich. »Die Ermordung eines Cops bringt viel zuviel Scherereien.«
Unwillkürlich nahm der Fahrer wieder etwas Gas
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