0484 - Die Rächerin aus Aibon
Mund.
Muriel übernahm auch weiterhin die Initiative. Sie ging auf Benson zu und drückte ihn in Richtung Tür. »Am besten ist es, wenn Sie jetzt gehen, Mr. Ben…«
»Aber doch nicht nach draußen.« Angst zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
»Nein, verstecken Sie sich ruhig auf der Toilette, bis wir das Problem gelöst haben.«
Benson schüttelte den Kopf und wischte seine schweißfeuchten Hände am Kittel ab. »So einfach läßt sich das Problem nicht lösen, Miß Conway, so einfach nicht.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich weiß es eben. Ja, ich weiß es, verstehen Sie?«
»Wir werden später miteinander reden.« Sie drückte ihn zurück, und Benson wehrte sich auch nicht.
Dann ging sie in das Büro zurück. Neben ihrem Bruder blieb sie stehen. Der schaute durch das Fenster auf den Hof, wo sich nichts verändert hatte. Er lag völlig ruhig da. Der Fahrer befand sich noch immer in seinem Wagen und lag schlafend in der Koje. Ein paar schüchterne Sonnenstrahlen hatten sich in den Hof verirrt und warfen helle Flecken auf das ansonsten dunkle Pflaster.
»Siehst du den Sarg?« fragte Conway.
»Weder ihn noch das Mädchen.«
»Da hat Benson sich getäuscht.« Muriel schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Der Mann ist kein Spinner.«
»Aber ein Mädchen mit drei Särgen. So etwas ist nicht zu fassen. Das ist unglaublich.«
»Du kannst ja nachschauen.«
Er nickte, zögerte aber noch. Das fiel seiner Schwester auf. »Was hast du, Lester? Du kommst mir vor wie jemand, der ein schlechtes Gewissen hat und es nicht zugeben will.«
Conway hob die Schultern. »Vielleicht ist dem so, vielleicht auch nicht. Ich jedenfalls fühle mich irgendwie nicht wohl, verstehst du? Ich glaube, daß Benson nicht gelogen hat. Es gibt doch keinen Grund, daß er es hätte tun sollen.« Conway begann zu schwitzen. Fahrig wischte er über seine Stirn.
Muriel fiel dies auf. »Was hast du, Bruder? Du bist doch sonst nicht so?«
»Ich weiß auch nicht.«
»Hast du Angst?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Also doch.«
»Es ist ein so verdammt komisches Gefühl, Muriel. Ich fühle den Druck, der auf mir lastet. Er preßt mir den Brustkasten zusammen, als hätte ich starke Schuldgefühle. Das habe ich noch nie so erlebt.«
Muriel kannte ihren Bruder lange genug. Sie faßte ihn an. »Sag ehrlich, Lester, irgend etwas stimmt nicht. Du reagierst so, als hättest du Angst. Oder ein schlechtes Gewissen.«
»Wie sollte ich?« fragte er barsch.
Muriel lachte unecht. »Das wollte ich dich ja gerade fragen, Bruderherz.«
Er ballte eine Hand zur Faust, ohne etwas zu erwidern. Dann hob er die Schultern und drückte sie gleichzeitig nach vorn. Diese Geste sollte Entschlossenheit anzeigen. »Ich werde nachschauen«, erklärte er. »Ich gehe auf den Hof und…«
»Ich gehe mit.«
Conway widersprach nicht. An der Tür schaute er noch über die Schulter und war beruhigt, daß ihn Muriel nicht im Stich ließ. Er konnte ihr nichts von seinen Gefühlen sagen. Nur er hatte die Botschaft empfangen, die schlimm genug war.
Die Vergangenheit hatte ihn eingeholt. Er brauchte es nicht zu sehen, Bensons Beschreibungen hatten ihm gereicht. Da lauerte etwas. Er fühlte die Strömungen, die auch von den Wänden einer Mauer nicht aufgehalten werden konnten.
Der Weg aus dem Büro ins Freie war ihm noch nie so lange vorgekommen wie in diesen Augenblicken. Er ging ihn mit zitternden Knien und wie ein alter Mann.
Am Ausgang blieb er stehen.
Sein Blick tastete den Innenhof ab. Links befand sich die Verladerampe, wo auch der Truck stand.
Rechts waren die Parkstreifen für die restlichen Wagen aufgezeichnet. Das große Doppeltor stand offen. Das Pflaster wirkte wie ein graues Meer.
Keine Spur von dem Mädchen mit den drei Särgen. Sollte sich Benson getäuscht haben?
Er glaubte es nicht, weil er ebenfalls den Druck spürte. Es war die feine Strömung, die ihm entgegenschwang, die nur er wahrnahm.
Durch die Nase holte er Luft. Sein Herz schlug schneller. Er schrak zusammen, als er in seiner Nähe Muriels Stimme hörte. »Also, ich sehe nichts.«
»Ja, anscheinend.«
»Aber überzeugend klingst du auch nicht, Bruder.«
»Benson hat bestimmt keine Halluzinationen gehabt.«
Sie stieß ihn an. »Laß uns den Hof durchsuchen, Lester. Vielleicht hat sie sich versteckt.«
Lester Conway zögerte noch, aber Muriel kannte kein Pardon. Sie drückte ihn vor, so daß ihm nichts anderes übrigblieb, als dem Rat der Schwester zu folgen.
Seine Schritte setzte
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