0484 - Die Rächerin aus Aibon
aber…«
»Dann greif sie an.«
Jarveena lachte nur. »Rache für meine Eltern«, flüsterte sie anschließend. »Ich werde meine Eltern rächen. Ich habe es versprochen. Das Böse darf nicht siegen. Ich muß es ausmerzen, ich werde es ausmerzen.«
Da Lester nichts tat, wollte Muriel etwas unternehmen. Sie sprang auf die Fremde zu. Sich vom Boden abstoßend und die Arme vorrammend, das gelang ihr noch. Sie hörte auch den kurzen erklärenden Kommentar der geheimnisvollen Fremden »Dich will ich nicht«, dann aber war es vorbei.
Muriel hatte das Gefühl, gegen eine harte Wand aus Glas gesprungen zu sein. Ihre Arme knickten ein, sie hörte sich selbst schreien, spürte die Gegenreaktion, die sie förmlich in die Knie drückte, um sie anschließend zu Boden zu schleudern.
Dort blieb sie liegen.
Ihr war nicht schlecht, sie spürte keine Schmerzen, aber sie konnte sich nicht bewegen. Ihre Glieder waren steif geworden, und sie wurde gleichzeitig von einem grünen Licht überflossen. Es sorgte dafür, daß sie sich nicht mehr bewegen konnte, dafür jedoch diejenigen Dinge sehr genau mitbekam, die sie umgaben.
Jarveena wollte ihren Bruder. Um sie kümmerte sich die Fremde nicht, sie ging auf Lester zu, nickte dabei und sagte: »Es ist soweit. Du wirst als erster für deine Tat bezahlen. Die anderen hole ich mir später. Niemand kann mich aufhalten, erst recht kein schwacher Mensch wie du. Damals, als die Tat geschah, hast du unter dem Schutz Guywanos gestanden, heute bist du hilflos. So hilflos, wie es damals meine Eltern gewesen sind. Ich habe sie gefunden. Sie waren zu glasigen Klumpen verschmolzen. Dieses Schicksal wird auch dich ereilen, das schwöre ich dir. Die Särge sind mit Aibon-Luft gefüllt. Mit einer bestimmten Luft, die für Menschen tödlich ist…«
Muriel Conway hörte und sah alles. Nur war sie nicht in der Lage, zu handeln. Die Kraft einer fremden, unbegreiflichen Magie hatte sie ausgeschaltet.
Wie auch ihren Bruder, der sich nicht rühren konnte, und der von Jarveena berührt wurde.
Sie legte ihm die Hand auf die Schulter, als wollte sie ihn mit einem Schwert zum Ritter schlagen.
Kaum berührte dieses fremde Wesen den Menschen Lester Conway, floß gedankenschnell ein grüngelbes Licht um seine Gestalt, als wollte es ihn auflösen.
Er riß noch den Mund auf. Es war die letzte Bewegung vor der großen Starre, die schon mit der Steifheit eines Toten zu vergleichen war. Für ihn gab es keine Chance. Nicht einmal eine Wimper konnte er noch bewegen.
Er fiel nach vorn.
Jarveena hätte ihn auf den Boden fallen lassen können, das tat sie nicht. Das Mädchen aus Aibon fing ihn auf. Um seinen Mund hatte sich ein wissendes und geheimnisvolles Lächeln gelegt, als es sich drehte und mit dem Gefangenen zu den drei Särgen ging. Sie hielt Leser Conway mit der linken Hand fest, bückte sich und hob den gläsernen Deckel mit den Fingern der rechten an.
Muriel kam es vor, als würde Jarveena der Deckel entgegenschweben, so spielerisch leicht sah es aus.
Jetzt war der Sarg offen.
Um Muriel kümmerte sich Jarveena nicht. Sie hob den steif gewordenen Körper an und legte ihn über das offene Unterteil des gläsernen Sarges. Sehr bedächtig ließ sie Lester Conway nach unten sinken. Er fand haargenau innerhalb der Totenkiste seinen Platz, als wäre sie in ihren Maßen genau nach seinen Körperabmessungen gefertigt worden.
Auf dem Rücken blieb er liegen.
Jarveena aber trat zur Seite. Sie nahm den Deckel hoch und preßte ihn wieder auf das Oberteil.
Dies geschah mit genau einstudierten Bewegungen. Sie beeilte sich nicht, Zeit genug hatte sie und gestört wurde sie auch nicht, denn Muriel mußte alles mit ansehen, ohne eingreifen zu können. Die fremdartige Starre löste sich nicht.
Jarveena breitete die Hände aus und drückte den ersten Deckel noch einmal fest.
Danach nickte sie, zufrieden mit ihrem Werk, richtete sich auf, nahm die drei Kordeln wieder in die Linke und drehte sich so um, daß sie Muriel anschauen konnte.
Die Blicke der beiden Frauen trafen sich.
Als wollte Jarveena sich rechtfertigen, sagte sie: »Er hat es nicht anders verdient. Dein Bruder hat Schreckliches getan. Er brachte meine Eltern auf grausame Art und Weise um.«
In diesem Augenblick löste sich bei Lester Conway die Starre. Was Muriel in den nächsten Sekunden erlebte, ließ sie fast an ihrem Verstand zweifeln.
Lester merkte plötzlich, wo er lag. Er ruckte hoch, stieß sich den Kopf an der Unterseite des Deckels, und auf
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