0484 - Ich stellte dem Tod ein Bein
Nachtschwärmer ans Wachwerden denken.«
»Einverstanden«, meinte Stone und nickte. Er griff zum Telefon. »Verbinden Sie mich mit dem Club 27 am Broadway!« sagte er und wartete. Es dauerte eine endlose Zeit, bis sich endlich jemand meldete. Wir hörten ein Quarren im Hörer, das wir nicht verstehen konnten, und dann sagte der Lieutenant: »Hier spricht Lieutenant Stone von der Kriminalabteilung der City Police. Sie sind der Geschäftsführer’… Geben Sie mir, bitte, Ihre Adresse!« Stone griff nach einem Stift und notierte etwas.
Dann fuhr er fort: »Wie lange waren Sie heute nacht in Ihrem Lokal, Mr. Diefenbaker?… Überhaupt nicht… ach so, Sie sind krank. Hm… Haben Sie einen Stellvertreter oder so etwas? Ich meine jemand, der gewissermaßen verantwortlich zeichnet, wenn Sie mal nicht da sind… Otto? Otto und wie weiter?… Buchstabieren Sie mal!… Otto Herning, aha. Wo kann ich ihn erreichen?« Wieder notierte Stone etwas, und dann beendete er das Gespräch mit den Worten: »Sie werden noch von uns hören, Mr. Diefenbaker----Nein, tut mir leid, im Augenblick möchte ich noch keine Auskünfte geben. Aber Sie dürfen sicher sein, daß ich Sie noch im Laufe des Tages aufsuchen werde.«
Stone legte den Hörer zurück und hielt den Zettel mit seinen Notizen hoch.
»Wir müssen uns an den Barkeeper wenden. Der Geschäftsführer lag gestern mit einer starken Erkältung zu Bett und war gar nicht im Lokal. Sollen wir gleich losfahren?«
»Warum nicht?« erwiderte ich. »Bevor der Mann seine Wohnung verläßt, um irgendwo zu essen.«
»Okay«, stimmte Stone zu. »Tibby, Sie schmeißen hier den Laden. Sie wissen ja, was unsere Leute zu tun haben.«
»Der erste Lieutenant, der meine Qualitäten erkennt«, kicherte Tibby zufrieden. »Denken Sie an den Knopf, Lieutenant!«
»Sie können sich darauf verlassen, Tibby.«
Wir gingen hinaus.
»Von was für einem Knopf war die Rede?« fragte ich.
»In der Einfahrt, wo sie das Mädchen fanden, lag ein goldener Knopf mit einem aufgeprägten Anker. So ein Ding, wie es Kinder an Matrosenanzügen tragen. Tibby reißt die ganze Zeit Witze darüber. Der berühmte Knopf am Tatort. Sie wissen schon, die Visitenkarte des Mörders — so etwas gibt es doch höchstens im Kino.«
Stone griff in seine Hosentasche und zeigte uns den Knopf. Irgendein spielendes Kind konnte ihn verloren haben. Die Chancen, daß er wirklich von der Kleidung des Mörders stammen konnte, waren mehr als gering. Trotzdem gefiel es mir nicht, daß Stone den Knopf nicht doch ins Labor geschickt hatte zur Untersuchung. Aber ich wollte nicht gleich in der ersten halben Stunde an dem frischgebackenen Lieutenant Kritik üben, und deshalb sagte ich nichts.
***
Otto Herning war ein schlanker Mann mit ungewöhnlich schmalgliedrigen Händen. Er war auf jeden Fall älter als 60, aber genauer ließ er sich nicht schätzen. Als er uns sein Apartment öffnete, trug er eine bequeme, weiche Hose und ein hellblaues Freizeithemd. Daß er gleich drei Männer vor seiner Tür fand, überraschte ihn, und er zog fragend die dünnen Augenbrauen in die Höhe.
Stone ließ seine Detektiv-Plakette sehen.
»Ich bin Lieutenant Stone von der Kriminalabteilung der City Police. Das sind Mr. Decker und Mr. Cotton vom hiesigen FBI-Büro. Können wir uns ein paar Minuten mit Ihnen unterhalten, Mr. Herning?«
Der Barkeeper trat zurück und machte eine einladende Geste.
»Selbstverständlich, meine Herren«, sagte er. »Treten Sie ein!«
Das Wohnzimmer war gefällig, aber weder luxuriös noch sonst irgendwie ungewöhnlich eingerichtet. Es gab eine große Couch, drei dicke Sessel, ein paar niedrige Schränke, zwei oder drei Tische und am Fenster ein sehr großes Aquarium. Es wimmelte von Fischen darin, die größten hatten noch nicht einmal die Länge meines kleinen Fingers, und die meisten waren noch kleiner. Dafür schillerten sie in allen erdenklichen Farben.
Auf einem niedrigen Tisch neben dem Aquarium standen Pokale mit eingravierten Texten. Sollte Herning zu irgendeiner Zeit ein erfolgreicher Sportler gewesen sein?
Er schien meinen Blick bemerkt zu haben und zeigte auf die Silbersammlung: »Die meisten habe ich gewonnen«, sagte er. »Und ein paar bekam ich geschenkt. Ich bin ein halbes Leben lang auf den großen Ozeandampfern gewesen. Ich habe in London, in Paris, einmal sogar in Moskau bei internationalen Ausstellungen neue Cocktails erfunden und manchmal sogar Medaillen dafür bekommen. Das war vor und nach dem ersten
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