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0484 - Ich stellte dem Tod ein Bein

0484 - Ich stellte dem Tod ein Bein

Titel: 0484 - Ich stellte dem Tod ein Bein Kostenlos Bücher Online Lesen
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Weltkrieg.«
    »Vor?« wiederholte ich und sah ihn an. Er lächelte auf eine sympathische Art. »Ich bin 76«, bekannte er.
    »Dann muß es am Meerwasser liegen«, meinte ich und grinste. »Wir halten uns bestimmt nicht so lange frisch.«
    »Nehmen Sie doch Platz!« bat er.
    Wir setzten uns. Otto klappte ein Kästchen auf und bot Zigaretten an. Ich fing einen Blick von Stone auf und nickte unmerklich. Anscheinend wollte er, daß wir die Unterhaltung mit Herning bestritten.
    »Können Sie sich einen Grund denken, warum die Polizei bei Ihnen auftaucht, Mr. Herning?« fragte ich.
    Otto schüttelte den Kopf und sah uns mit entwaffnender Offenheit an.
    »Nein, weiß Gott nicht. Aber ich bin sehr gespannt, es zu erfahren. Ich kann mir kaum denken, daß ich irgend etwas getan haben sollte, was nicht in Ordnung war. In meinem Alter…«
    Ich lenkte Herning unmerklich zu einem anderen Thema.
    »Wieviel Personal haben Sie überhaupt?«
    »Vier Kellner, ein Zigarettenmädchen, ein Garderobenmädchen, drei Bardamen, zwei Köche und zwei Hilfsköchinnen, einen Portier, die monatlich wechselnde Kapelle und mich. Und dann natürlich Mr. Diefenbaker — das ist der Geschäftsführer.«
    »Sie selbst stehen gewöhnlich hinter der Bar, nicht wahr?«
    »Eigentlich immer.«
    »Die Bardamen natürlich auch?«
    »Die haben sogar strikte Anweisung, hinter der Bar zu bleiben.«
    »Sind Sie mit Ihren Bardamen zufrieden?«
    Otto zuckte vielsagend die Achseln. »Was heißt zufrieden? Bardamen sind schwer zu bekommen, die richtigen, meine ich. Sehen Sie, es gibt Mädchen, die glauben, Bardame könnte man aus dem Handgelenk heraus sein. In anderen Lokalen vielleicht. Bei uns ist das schwieriger. Von unseren Bardamen muß man erwarten können, daß sie sich mit einem Universitätsprofessor zwei Stunden lang unterhalten können, ohne daß er vor Langeweile das Trinken vergißt. Unsere Damen müssen gebildet, gescheit und auf eine absolut unaufdringliche Art geschäftstüchtig sein.«
    »Sind sie es?«
    Otto lächelte.
    »Eine ist dabei, also ich weiß nicht, wie sie es macht, aber sie scheint dafür geboren zu sein. Sie glauben ja nicht, was sich eine Bardame Nacht für Nacht für Geschichten anhören muß. Männer wollen ihr Herz ausschütten, wenn sie in ein Nachtlokal kommen und allein sind. Wenn sie mit dem dritten einsamen, leichtbesäuselten Mann gesprochen haben, haben sie mit allen Männern dieser Erde gesprochen. Aber Fay hörte jedem zu, als ob es nur diesen einen einzigen Gast gäbe. Vielleicht liegt es daran. Die Männer himmeln sie an, es ist nicht zu beschreiben.«
    »Das interessiert mich«, sagte ich. »Erzählen Sie ein bißchen mehr über das Mädchen!«
    Man brauchte Otto nicht zweimal darum zu bitten. Es war offensichtlich, daß er Fay Lorra in sein Herz geschlossen hatte und gern über sie sprach. Ich ließ ihn eine Weile von dem Mädchen schwärmen und brachte das Gespräch dann auf die vergangene Nacht.
    »Fay hatte Angst, daß ihre Anziehungskraft auf die Gäste nachlasse«, berichtete Otto. Er lachte. »So ein kleiner Racker! Wissen Sie, was das Mädchen tut? Sie führt auf den Cent genau Buch über ihre Trinkgelder. Heute früh beklagte sie sich darüber, daß sie fast 200 Dollar weniger hätte als am gleichen Abend der Vorwoche! So etwas ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert. Vielleicht macht sie zu Hause sogar eine Statistik.«
    »200 Dollar weniger?« wiederholte ich überrascht. »Ich hätte nicht gedacht, daß eine Bardame in einer einzigen Nacht überhaupt so viel Trinkgeld bekommt.«
    »Es dürfte wohl auch nur wenige Lokale auf dieser Welt geben, wo man mit solchen Beträgen rechnen kann«, sagte Otto, und es war ein gewisser Stolz in seiner Stimme zu hören. »Ich glaube, der Durchschnitt unserer Bardamen liegt bei 400 Dollar pro Nacht. Fay kommt bestimmt auf annähernd das Doppelte.« Stone, Phil und ich tauschten ungläubige Blicke. Otto schien es zu bemerken.
    »Die Mädchen bei uns haben kein Grundgehalt«, wandte er ein. »Und sie bleiben nicht lange. Die Gäste wollen nicht immer dieselben Gesichter sehen. Fay wird allerdings eine Ausnahme machen. Ich bin sicher, daß sie bei uns bis zu zwei Jahren bleiben kann. Und das wäre dann schon so eine Art Sensation in unserem Geschäft.«
    »Wenn sie gestern abend fast 200 Dollar weniger hatte, scheint sie nicht gerade spendable Gäste gehabt zu haben«, sagte ich.
    »Das kann man nicht sagen«, meinte Otto und schüttelte den Kopf. »Gestern war ganz

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