0484 - Ich stellte dem Tod ein Bein
allgemein nicht viel Betrieb. Zuerst hockten ein paar Texaner an der Bar, die waren uns, offen gestanden, zu laut, zu betrunken und zu ungezogen. Mit solchen Krakeelern vertreibt man sich nur die ruhigen, soliden Stammkunden. Dann kam Feddy, der Fernsehkomiker, und weinte sich wieder einmal bei Fay seinen Kummer von der Seele. Er tut das wöchentlich mindestens zweimal und — lieber Himmel!« Otto unterbrach sich erschrocken. »Es bleibt doch unter uns, was ich Ihnen erzähle? Ich spreche sonst nie über unsere Gäste. Ganz bestimmt nicht!«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, tröstete ich. »Wir sind keine Reporter, sondern Polizeibeamte. Bei uns gehört die Diskretion ebenso zum Handwerk wie bei Ihnen. Wir waren beim traurigen Feddy stehengeblieben. Wer war sonst noch da und unterhielt sich mit Fay Lorra?«
»Na, es gab ein paar neue Gesichter, die gibt es jeden Abend. Und dann war da eigentlich nur noch Mac Mahone: Er kommt jeden Abend, seit Fay bei uns ist. Und er versucht wie natürlich viele andere auch, sich mit ihr zu verabreden. Das ist auch etwas, was nur Fay kann. Sie geht nie auf eine Verabredung ein — sie hat ja ihren zukünftigen Arzt —, und trotzdem fühlt sich nie einer vor den Kopf gestoßen.«
»Dieser Mahone«, sagte Phil, ohne sich anmerken zu lassen, wie wichtig uns gerade dieses Thema war, »wann hat der heute nacht die Bar verlassen?«
»Er war einer der letzten. Aber das ist er immer.«
»Kennen Sie Mr. Mahone näher?« fragte ich.
Otto Heming schüttelte den Kopf. »Ich hörte nur, daß er irgendwie in der Textilbranche tätig ist. Er soll ein paar Kleiderfabriken haben.«
Stimmt, dachte ich. Und wie die Polizei vermutet, ist er auf nicht ganz saubere Weise dazugekommen, sich Fabriken zu kaufen. Denn neben seinem prächtigen Aushängeschild als Fabrikant ist Mac Mahone — mindestens bei den richtigen Leuten — auch noch als etwas anderes bekannt, nämlich als einer der führenden Unterweltbosse von Manhattan.
Wir sprachen noch fast eine Stunde mit Otto Heming und verabschiedeten uns dann. Es war Phil, der auf dem Wege zur Tür wie nebenbei noch sagte: »Trägt dieser Mahone eigentlich immer einen Smoking, wenn er bei Ihnen aufkreuzt?«
»Einen Smoking?« wiederholte Otto arglos. »Ich habe ihn noch nie im Smoking gesehen. Gestern hatte er eine blaue Klubjacke an, mit dem Emblem eines Jachtklubs auf der Brust. Und mit goldenen Knöpfen…«
»… mit einem Anker darauf«, fuhr ich an seiner Stelle fort.
»Richtig«, bestätigte Otto. »Goldene Knöpfe mit einem Anker darauf.«
***
Im Vorzimmer sah es aus wie in einem Ausstellungsraum moderner Bliromöbel. Zwei junge Mädchen klapperten im Hintergrund an elektrischen Schreibmaschinen. Weiter vorn regierte eine attraktive Brünette von annähernd 40 Jahren an einem Schreibtisch, auf dem eine Vase mit roten Nelken, das graue Gehäuse einer Gegensprechanlage und ein Telefon standen. Außer einem in rotes Leder gebundenen Terminkalender gab es auf ihrem Schreibtisch kein Blatt Papier. Als wir zu dritt aufkreuzten, wandte sie uns das gepflegte Gesicht zu, lächelte andeutungsweise und fragte, was sie für uns tun könnte.
Stone trat einen Schritt vor.
»Ich bin Lieutenant Stone von der Kriminalabteilung der City Police«, sagte er und ließ seinen Ausweis sehen. »Wir möchten mit Mr. Mahone sprechen.«
Die Brünette bedachte den Ausweis mit einem prüfenden Blick, dann deutete sie auf eine Reihe von sechs schnurgerade ausgerichteten Sesseln: »Wollen Sie einen Augenblick Platz nehmen? Ich werde sehen, ob Mr. Mahone frei ist.« Sie öffnete eine Tür, deren Rückseite gepolstert war. Dahinter gab es eine zweite Tür, die ebenfalls gepolstert war. Aber zwischen den beiden Türen war so viel Platz, daß man erst die eine hinter sich zuziehen konnte, bevor man die nächste öffnete. Und genau das tat die Sekretärin. Wir warteten. Die beiden Mädchen im Hintergrund des großen Büros bedachten uns mit einem flüchtigen, uninteressierten Blick, dann hämmerten sie weiter auf ihre Maschinen ein.
»Erwähnen Sie, wenn es sich einrichten läßt, nicht, daß wir vom FBI sind«, sagte ich leise zu Stone. »Wenn es nötig werden sollte, können wir das immer noch ausspielen.«
Stone nickte. Wir warteten. Die Zeit verging, die Mädchen klapperten auf den Schreibmaschinen, und nichts geschah. Übermäßigen Respekt vor der Polizei schien man hier nicht zu haben.
Endlich erschien die Sekretärin wieder. Jetzt hatte sie beide Türen
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