0487 - Das Syndikat kennt kein Erbarmen
Gullydeckel war abgehoben worden und lehnte schräg am Auto. Zum Glück war ich nicht in das ungesicherte Loch gefallen. Auf den Knien leuchtete ich mit der Lampe nach unten und sah eine Strickleiter aus Nylonschnur baumeln. Er hatte sich nicht mehr die Mühe gemacht, seinen Fluchtweg zu tarnen.
Da sich der künstliche Nebel nur über die Straßenoberfläche erstreckte, konnte ich ungehindert bis auf den Boden des Schachtes blicken. Dumpf entfernten sich eilige Schritte in nördlicher Richtung, und ohne lange zu überlegen, sprang ich hinterher. Die Taschenlampe erfaßte die Abdrücke von ein paar Gummischuhen, und ich folgte den Spuren, so schnell es ging. Der Vorsprung, den der Boß vor mir hatte, betrug höchstens eine Minute. Er hatte den Vorteil, die unterirdischen Gänge ganz genau zu kennen.
Um keine unnötige Zielscheibe zu bilden, hatte ich die Lampe wieder verlöscht und schaltete sie nur ab und zu an, um alle Hindernisse rechtzeitig sehen zu können. Dabei blendete ich mit den Fingern einen dünnen Strahl aus, der gerade ausreichte, um den Weg zu erkennen. An der nächsten Biegung stoppte ich, denn die Schritte waren verstummt. Platt auf dem Bauch liegend, hielt ich ein Ohr an den feuchten Stein und lauschte.
Ein rhythmisches Scharren und Schleifen drang ganz leise zu mir durch. Ich kroch auf allen vieren zur nächsten Kante, nahm volle Deckung und ließ den Strahl der Lampe kreisen. Drei Kanäle mündeten zusammen, von denen einer völlig trocken war. Ich wagte es, mit der Lampe hineinzuleuchten, und konnte ihn auf gut 100 Yard überblicken. Er war restlos leer. Der zweite bog nach etwa 30 Yard ab, doch auf dem naßglänzenden Stein war keinerlei Spur zu sehen. Aus dem dritten war ich gerade gekommen, da konnte der Mann also auch nicht stecken.
Es blieb noch eine Betonröhre übrig, die zwei Fuß über der Sohle aus der Wand mündete und einen Durchmesser von höchstens anderthalb Fuß hatte. Nur mit extrem schmalen Schultern paßte ein ausgewachsener Mann hindurch. Ich legte das Ohr an die Wand und hörte das Geräusch etwas stärker. Irgendwo vor mir arbeitete sich der Gangster verbissen auf dem Bauch liegend durch den engen Schlauch.
Den Revolver steckte ich mir in die Brusttasche, die Lampe nahm ich zwischen die Zähne, und Zoll um Zoll schob ich mich in das enge Rohr. Es war atembeklemmend eng, und ich durfte nicht zu tief Luft holen. Unweigerlich wäre ich sonst steckengeblieben. Mit den Händen vortastend und die Schuhspitzen fest aufdrückend, kam ich langsam vorwärts. Es konnten 15 oder 150 Yard sein, die ich zurücklegen mußte. Ich hatte keine Ahnung.
Der Wille, den Verbrecher zu stellen, trieb mich vorwärts. Ab und zu hielt ich inne und lauschte. Solange ich das Kriechen vor mir hörte, war ich beruhigt und setzte meine Anstrengungen fort. Es kam mir endlos lang vor. Mein Atem ging stoßweise. Die Augen taten weh vor Übermüdung. Ich durfte nicht aufgeben.
Schlagartig hörte das Kriechen vor mir auf. Ich hörte ein leises Klappen und konnte sicher sein, daß der Flüchtende das Ende erreicht hatte. Bewegungslos blieb ich liegen und angelte nach dem Revolver für den Fall, daß der Mann den Fluchtweg kontrollierte. Zum Glück schien er keine Lampe bei sich zu haben, denn es blieb alles dunkel. , Ein heftiges Klappern ließ mich zusammenzucken. Es klang, als rolle ein faustgroßer Stein die leichte Schräge abwärts, direkt auf mich zu. Das Geräusch kam von vorn, und ich erfaßte sofort die Situation. Der Gangster kontrollierte seinen Fluchtweg. Blieb der Stein vor der Zeit liegen oder verstummte das Geräusch, so wußte der Gangster, daß jemand hinter ihm kam, der den Stein aufhielt.
Die Handflächen stemmte ich an die Seite, die Fußspitzen ebenfalls. Mit Aufbietung aller Kräfte drückte ich den Körper nach oben, so daß knapp eine Handbreit Platz unter mir zum Passieren frei blieb. Hoffentlich tanzt er nicht zu hoch, dachte ich, da war das Geschoß schon heran. Ich spürte einen brennenden Schlag auf meiner linken Hand. Ich biß die Zähne zusammen. Eine Zehntelsekunde später war der Stein unter mir durchgerollt, setzte seinen Weg fort und plumpste nach einer Weile aus dem Ende der Röhre in ein Wasserrinnsal. Es klatschte, und man konnte das Geräusch erstaunlich gut hören.
Nach einer Minute Wartezeit begann ich weiterzukriechen. Es dauerte knapp drei Minuten, bis ich den Ausstieg erreichte. Die Röhre hörte auf, wie sie angefangen hatte. Ohne Abschluß mündete sie auf
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