0490 - Höllen-See
Nebelschwaden, in dessen Mitte sich die Gestalt abzeichnete.
Das Schwert leuchtete wie ein roter Blutstrich, der von Wolken umwabert wurde.
Suko blieb auf seinem Platz. Er hatte die Beretta gezogen, zielte auf die Türöffnung, schoß aber noch nicht, weil sich der andere erst deutlicher zeigen sollte.
Und er kam.
Es waren schwere Schritte, die er setzte. Dabei sah er aus wie eine unheimliche Comicfigur. Zu seiner Kapuze trug er normale Kleidung. Eine graue Jacke, eine grüne Cordhose mit blauen, waagerechten Streifen und auch normale Schuhe, die durch das hohe Gras schleiften.
Er wollte kämpfen - und sprang plötzlich mit einem gewaltigen Satz auf Suko zu.
Der Inspektor wich aus. Artistisch tat er das. Er beherrschte mehrere ostasiatische Kampftechniken und ließ sich auch von einem schwerttragenden Gegner nicht so leicht aus dem Konzept bringen.
Die Klinge sauste vorbei. Wie ein roter Strich drang sie in den Boden, der sich in einem gewissen Umkreis rot färbte. Das war die Gelegenheit für Suko.
Er wollte den anderen nicht töten, aber waffenlos machen. Suko sprang ihm fast ihn den Nacken, hieb mit der Handkante zu und hörte unter dem Stoff etwas brechen. Mit der freien Hand packte er den Arm, hebelte ihn hart herum und hörte einen dumpfen Schrei, während sich die Hand vom Griff des Schwerts gelöst hatte.
Aber Suko war noch nicht am Ende. Er hebelte den Kapuzenträger über sich hinweg. Der schlug noch einen Salto, bevor er auf den Rücken krachte und erst einmal liegenblieb.
Seine Waffe hatte er im Boden steckenlassen müssen.
Suko ging auf ihn zu. Er hatte die Beretta gezogen, drehte ihn herum und ließ ihn in die Mündung blicken. Er selbst starrte auf die Augenschlitze und bekam den Eindruck, gegen zwei gläserne Kugeln zu starren.
Befand sich unter dem Stoff tatsächlich ein Gesicht? Suko wollte die Kapuze abreißen, als er einen sirenenhaften Schrei hinter sich hörte. So brüllte nur Betty.
Der Inspektor drehte sich.
Aus dem Rauch schälte sich die Gestalt der dicken Wirtin. Sie lief schwankend näher, ihr Gesicht zeigte Angst und Entsetzen.
»Was ist los?«
»Gulky!« brüllte sie. »Verdammt, Gulky, er… er…«
»Was ist denn?«
Sie blieb stehen, ihre Hände fielen nach unten und landeten klatschend auf beiden Oberschenkeln.
»Gulky!« keuchte sie. »Er wird zu Glas…«
***
Ein Kopf aus Glas!
Es war kaum zu glauben, aber es stimmte. Ein gläserner Kopf, jedoch mit menschlichen Gesichtszügen, die sich wie ein Relief im Glas abzeichneten, das eine leicht grünliche Farbe angenommen hatte. Es war nur an der Stirn zersplittert, weil da meine Kugel getroffen hatte.
Gläserne Menschen!
Mich überfiel eine Erinnerung. Ich hatte schon einmal etwas damit zu tun gehabt. Damals, als ich gegen Gorgos kämpfte, einen der Großen Alten, der das gläserne Grauen gebracht hatte.
Aber hier war es anders. Dieser Mann besaß nur einen gläsernen Kopf. Bei Gorgos hatte der gesamte Körper aus Glas bestanden.
Meine Hand tastete in Herzhöhe seine Brust ab. Nichts mehr. Vor mir lag ein Toter!
»John!« Vom Wagen her hörte ich den Schrei des Mädchens. Chrysantheme hatte die Tür geöffnet und war aus dem Fahrzeug gesprungen. Sie lief auf mich zu. »Ich habe einen Schuß gehört…«
»Bleib zurück, Mädchen!«
Sie hörte nichts, wäre fast noch gestolpert und blieb plötzlich neben mir stehen, als wäre sie vor eine Wand gelaufen. »O nein!« ächzte sie, »das darf nicht wahr sein.«
»Wieso?«
»Ein Mann mit einem Kopf aus Glas. Wie ist das überhaupt möglich? Meine Güte, das Paradies, der gläserne See…«
Ich sprang plötzlich hoch und packte ihr rechtes Handgelenk, als ich sie zu mir heranzog. »So, meine Teure, nun mal von vorn. Was hast du da gesagt? Wie war das mit dem gläsernen See? Wie kommst du überhaupt darauf?«
»Ich… ich?« flüsterte sie. »Was soll ich denn gesagt haben?«
»Du hast von einem gläsernen See gesprochen.«
»Wieso?«
»Rede!«
Sie hob die Schultern. »Ja«, sagte sie, »der See. Sie haben mal davon gesprochen.«
»Wer?«
»Ich weiß es nicht mehr. Die Männer mit den Kapuzen. Ich habe es zufällig gehört.«
»Und der See soll das Paradies sein?«
»Möglich.«
Ich starrte in ihr Gesicht. »Du verschweigst mir etwas, Chrysantheme. Man sagt doch, Blumen lügen nicht. Du scheinst mir hier die große Ausnahme zu bilden.«
»Was soll ich denn verschweigen?«
»Ich denke an den See. Was hat der Tote damit zu tun?«
Sie schüttelte den
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