0492 - Dem Henker gestohlen
schaltete Palater das Rotlicht und die Sirene wieder aus. Im gleichen Moment hörte er die Sirenen der beiden anderen Streifenwagen.
Über Funk verständigte sich Palater mit den beiden Kollegen. Sie trafen sich unmittelbar an der Einfahrt zur Pier. Zu dritt nebeneinander fuhren die Streifenwagen die weit in den East River hineinführende Straße entlang. Nichts kam ihnen entgegen. Dann aber sahen sie vor sich einen tanzenden Lichtpunkt.
Palater schaltete den Suchscheinwerfer ein. Er tastete sich einen Moment durch die Dunkelheit und erfaßte dann einen Mann. Der Mann stand am Tor zu dem Gelände des Sanitation Departments und schwenkte eine Handlampe.
Im gleichen Augenblick, als Palater den Mann erblickte, meldete sich auch die Stimme des Beamten in der Polizeifunkzentrale: »Skyline 83, 99 und 114, fahren Sie zur Pier 70! Anruf vom Sanitation Department. Unmittelbar vor dem Gelände vermutlich Mord!«
»Verstanden!« antwortete Palater. »83, 99 und 114 sind bereits am Tatort! Wir melden uns gleich mit Einzelheiten!«
Der Mann mit der Handlampe lief den Polizeibeamten entgegen. Aufgeregt deutete er auf eine Stelle unweit der Mauer, die zum Fluß hinunter kerzengerade abfiel. Ganz am äußeren Rand der Mauer lag ein dunkles Bündel.
»Zentrale!« sprach Palater noch ins Mikrophon.
»Zentrale! Wer ruft?«
»Skyline 99, Corporal Palater! Schicken Sie eine Mordkommission zur Pier 70. Außerdem Ambulanz. Schnellstens!«' »Verstanden! Ende!«
Palater sprang aus dem Wagen. Die Kollegen aus den beiden anderen Streifenwagen folgten ihm. Die Handlampen der Polizeibeamten waren hell genug, um Einzelheiten erkennen zu können. Der junge Mann sah sehr schlimm aus.
»Mindestens sechs Treffer!« sagte Earner.
»Ruhig!« zischte Palater. Er riß die Kleider des Zusammengeschossenen auf und preßte ein Ohr an seine Brust.
»Schalte das Rotlicht ein!« befahl er Earner. »Die Ambulanz darf keine Sekunde verlieren. Er atmet noch!«
In der Ferne wurden Sirenen laut. Palater warf einen Blick zur Uferstraße. Er sah die blitzenden Rotlichter, und er sah das breite weiße Leuchtschild des Krankenwagens. »Vielleicht ist noch etwas zu machen«, sagte er leise, wie zu sich selbst.
Er griff schnell in die Taschen der blutbesudelten Jacke des jungen Mannes. In der zweiten Tasche, die er durchsuchte, fand er, was er suchte. Es war die kleine Plastikhülle mit einer Driver-Licence. An einer Seite war sie von einem Geschoß zerrissen, aber der Name und die Adresse waren noch deutlich zu lesen.
»Er heißt Richard L. Heymes, wohnt New York 31, Summit Street«, meldete Palater dem Lieutenant der Mordkommission, während Heymes schon auf eine Trage gelegt und in den Ambulanzwagen geschoben wurde.
»New York 31?« überlegte der Lieutenant.
»South Brooklyn, Sir!« meldete sich einer der anderen Streifenwagenbesatzungen. »Etwa die Hafengegend südlich der Baltic Street.«
»Danke«, sagte der Lieutenant und wandte sich an einen seiner Mitarbeiter. »Geben Sie’s mal an die Kriminalabteilung in Brooklyn. Die sollen gleich die Angehörigen benachrichtigen, aber schonend. Auch gleich hören, mit wem er zusammen war, ob er Freunde hat und so weiter!«
***
Ich bin kein Freund langer Fernsehabende. Für mich geht auch nicht die Welt unter, wenn ich während einer Fernsehsendung gestört werde. An diesem Abend aber schaute ich mir interessiert eine Sendung über Luna Orbiter 3 an. Und gerade, als es spannend wurde, als der Professor, der referierte, ein paar ganz neue Mondfotos ankündigte, klingelte das Telefon.
»Guter Mond, du gehst so stille«, dachte ich. Nach einem letzten Blick auf den Bildschirm ging ich zum Telefon.
Damit ging der Mond endgültig unter.
»Kriminalpolizei, Leiter vom Dienst, Captain Blitcher! Entschuldigen Sie die Störung, Sir, aber…«
»Schon gut!« knurrte ich. »Sie haben sicher etwas Wichtiges.«
»Es ist mir bekannt, Sir, daß Sie der Sachbearbeiter in der Angelegenheit Pedro Gonzales waren. Wir haben hier einen jungen Mann, der in diesem Zusammenhang eine offenbar sehr wichtige Aussage gemacht hat.«
»Wohin muß ich kommen?« fragte ich kurz.
»Major Crimes Division, fünftes Stockwerk, Aufgang…«
»Ich weiß Bescheid. In zwanzig Minuten bin ich bei Ihnen!« versprach ich. Schnell schaute ich auf die Uhr. Es war siebenundzwanzig Minuten nach Mitternacht. Ohnehin zu spät für das Fernsehen, wenn man morgens früh ’raus muß. Mit einem Druck auf den Ausschalteknopf sorgte ich für
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