0492 - Die Wölfin von Rom
wir…?«
»Nein, wir kommen zu euch hoch.«
»Gut.«
Man teilte uns die Zimmernummer mit. Der Lift brachte uns in den vierten Stock. Bill erwartete uns schon auf dem Gang. Er sah aus wie ein alter Mann. Die Sorge um seinen Sohn hatte ihn gezeichnet. Ich stellte ihm Savini vor, und zu viert betraten wir das Zimmer, wo Sheila auf uns wartete. Sie hatte ihre Blässe im Gesicht durch etwas Rouge überdeckt, das den schmerzlichen Zug um die Lippen allerdings nicht verdecken konnte. Stumm umarmte sie mich.
Suko schloß als letzter die Tür. Das leise Zuschnappen fiel bereits in Bills Bericht. Er erklärte uns, was sich in der Zwischenzeit ereignet hatte und daß sie angerufen worden waren.
»Von wem?« fragte ich.
»Keine Ahnung. Die Stimme war verstellt.«
»Klang sie zischend?«
»Ja.«
»Dann haben wir mit derselben Person gesprochen.«
Die nächsten Worte des Reporters waren für uns die große Überraschung. Daß wir uns auf dem Petersplatz mit unseren Gegnern treffen sollten, damit hätte ich nicht gerechnet.
»Dort wird der Unbekannte sich zeigen«, sagte der Reporter.
»Hoffentlich mit Johnny«, fügte Sheila hinzu. Sie hockte auf einer Sesselkante und starrte ins Leere. »John, sei ehrlich. Glaubst du daran, daß er noch lebt?«
»Ja!«
Sheila blickte hoch. Auch Bill sah mich überrascht an. »Wie kommst du darauf?«
Ich hatte das T-Shirt bisher noch nicht hervorgeholt. Es steckte noch in meiner Tasche. Jetzt zerrte ich es ins Freie und hielt es in die Höhe, wobei es sich auseinanderfaltete.
Keiner von uns sprach. Sheila stand langsam auf. Sie deutete auf das dünne Hemd. »Woher… woher hast du das, John?«
»Gehört es Johnny?«
»Ja, das ist seins.«
»Ein Wolf, den wir auf dem Campo trafen, hielt es in der Schnauze.«
»O Gott!« Sheila schlug die Hände vor ihr Gesicht. »Das… das darf nicht wahr sein.«
Bill ging zu seiner Frau und stützte sie.
»Ruhig, Sheila, laß John weiter erklären.«
Sie schüttelte nur den Kopf. Wir hörten ihr leises Weinen. Verdammt, das ging mir durch und durch. Auch ich hing an Johnny, er war mein Patenkind, und es fiel mir schwer, die Dinge nüchtern zu sehen. Aber das mußte ich einfach.
»Sheila und Bill«, sagte ich. »Dieser Wolf hat das T-Shirt nicht ohne Grund mitgebracht. Er wollte damit etwas andeuten oder aussagen. Für mich steht fest, daß Johnny noch lebt. Sonst hätte man uns das Hemd nie zugespielt.«
»Warum ihr und nicht wir?« fragte Bill. »Wir sind schließlich seine Eltern.«
»Ich kann mir nur vorstellen, daß die andere Seite uns warnen wollte. Wir sollen wissen, daß sie informiert ist.«
»Das ist möglich. Und jetzt?«
»Deshalb sind wir gekommen, um mit euch zu reden, Bill. Wir wollen nichts falsch machen.«
Savini hatte bisher nur zugehört. Jetzt meldete er sich. »Wir könnten natürlich das Gelände um den Petersplatz absperren lassen«, schlug er vor. »Ich werde eine Hundertschaft Polizei in Alarmbereitschaft versetzen und dafür sorgen…«
»Nein!« schrie der Reporter. »Wollen Sie das Kind töten?«
Bill hatte so laut gesprochen, daß Savini erschreckt einen Schritt zurücktrat. »Wie gesagt, es war nur ein Vorschlag. Wenn Sie einen besseren haben, bitte sehr.«
»Ja, den habe ich.« Bill nickte Suko und mir zu. »Ich bin dafür, daß wir auf ihre Forderungen eingehen. Das heißt, meine Frau und ich werden um Mitternacht hinfahren und warten, was geschieht.«
»Daß Sie sich in Lebensgefahr begeben, ist Ihnen klar?« fragte der Commissario.
»Ja.«
»Wie sieht es denn um Mitternacht dort aus?« wollte ich wissen.
»Der Petersplatz ist tagsüber voll, und in der Nacht…«
»Da herrscht kaum Betrieb.«
»Kaum, sagten Sie?«
»Hin und wieder ein paar Leute, das ist alles. Sie werden bestimmt keine Schwierigkeiten machen, wenn die Wölfe auftauchen. Die haben mehr Angst als Vaterlandsliebe.«
»Und werden dann die Polizei alarmieren.«
Savini winkte ab. »Wenn Sie nicht wollen, daß wir eingreifen, dann bleibt es dabei. Ich werde meinen gesamten Einfluß geltend machen, damit so etwas nicht geschieht. Zufrieden?«
»Wie könnte ich das? Wir sind erst zufrieden, wenn wir unseren Sohn wieder in den Armen halten.«
»Aber wir sind da, Bill«, sagte Suko.
Es sah so aus, als wollte unser Freund widersprechen, dann hob er die Schultern.
»Und wir werden auch Nadine mitbringen«, fügte ich noch hinzu. »Sie hat Johnny schon öfter gerettet.«
Bill Conolly lächelte schief. Er wußte nicht mehr, was er
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