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0494 - Fenrirs Wacht

0494 - Fenrirs Wacht

Titel: 0494 - Fenrirs Wacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Selbsterhaltungstrieb stärker als das Sonnenlicht«, gab sie ebenso leise zurück. Vorsichtig sah sie sich um. Dem Flüchtigen zu folgen, hatte keinen Sinn. Der fand in Lyon selbst in Pelzgestalt unglaublich viele Möglichkeiten, unterzutauchen. Nach ihm zu fahnden, war eine Sisyphusarbeit für eine oder zwei Personen. Das mußte ein größerer Polizeiapparat bewerkstelligen, und auch dann war der Erfolg nicht gesichert. Selbst »normale« Verbrecher schafften es immer wieder, sich den Kontrollen zu entziehen.
    Der Raum war ein einziges Schlachtfeld. Technisches Gerät war zerstört worden, Instrumente lagen überall verteilt auf dem Boden oder auf Halbschränken und Tischen. Einer der beiden Pathologen kauerte in einer Ecke am Boden, zusammengekrümmt wie ein Embryo, und starrte ins Nichts. Der andere lehnte an der Wand, dem zerstörten Fenster gegenüber, durch das Kaltluft hereinströmte, und umklammerte seinen linken Arm unmittelbar unter der Schulter. Nicole erschrak; der Arm war dem Mann förmlich zerfetzt worden. Teilweise konnte sie unter dem hervorströmenden Blut den Knochen sehen.
    »Notarzt!« schrie sie Robin zu. »Schnell!« Gleichzeitig riß sie dem böse verletzten Mediziner die Krawatte vom Hals und benutzte sie, um direkt unter dem Gelenk den Arm mit aller Kraft, die sie besaß, abzubinden. Sie mußte die Schlagader abschnüren, ehe der Mann soviel Blut verloren hatte, daß er nicht mehr zu retten war.
    Er selbst war zu keiner Bewegung mehr fähig. Schmerz und Blutverlust hatten ihn in Schockzustand versetzt. Er zitterte und fror, aber nicht der Kälte wegen, die von draußen herein kam. Die Kälte, die ihn jetzt töten wollte, kam aus ihm selbst.
    Robin stand am Telefon. Schnell, präzise und nicht einmal laut gab er Anweisungen. Nicole war verblüfft. Sie hatte eher damit gerechnet, daß er zu brüllen begann. Aber er behielt die Ruhe, auch, als die Tür erneut aufgerissen wurde und Menschen hereinstürmten, die nur neugierig waren, weil sie den Lärm und das Gebrüll gehört hatten.
    Niemand brüllte mehr. Nur der Mediziner in der Ecke wimmerte leise. Sein Geist hatte nicht verkraftet, was er hatte sehen müssen.
    Robin marschierte mit ausgebreiteten Armen den Hereinkommenden entgegen. »Raus hier, aber blitzschnell, damit der Notarzt ’rein kann!«
    Nicole stützte den Verletzten, dessen Knie jetzt nachgaben. Er bekam trotz seiner furchtbaren Schmerzen noch mit, daß da jemand war, der sich um ihn kümmerte, und schlagartig ließen seine körperlichen Reserven nach. Sie führte ihn zu einem Sessel, in den sie ihn dann sinken ließ.
    Männer in weißen Kitteln und mit einer Trage tauchten auf. Sie kümmerten sich um den Verletzten, trugen ihn fort. Den anderen Mann holten sie aus seiner Ecke und führten ihn davon. Nicole konnte an ihm keine körperliche Verletzung feststellen. Aber konnte sie deshalb sagen, er hatte Glück gehabt?
    Sie konnte nicht einmal seine Gedanken lesen, um zu erfahren was geschehen war. Auch nicht die des Verletzten, der seinen linken Arm vermutlich nie wieder würde gebrauchen können. Beider Gedanken waren blockiert von dem Grauen, das sie erlebt hatten.
    Robin scheuchte die Neugierigen heraus. Sein Dienstausweis, als Sichtkarte ans Anzugsrevers geclipst, verschaffte dem untersetzten Mann den nötigen Respekt. Er forderte »seine« Mordkommission und »seine« Spurensicherung an.
    Die spurten alle.
    Es dauerte nicht länger als zehn Minuten, dann war auch der letzte da. Es wurde fotografiert und gestaubt, gesichtet und gesichert.
    Robin zog Nicole nach draußen auf den Gang, der inzwischen wieder leer war. »Da drinnen stören wir jetzt nur, und hier draußen stört uns jetzt keiner. Was ist da passiert, Nicole? Pais ist vom Seziertisch gesprungen und hat die beiden Mediziner angegriffen, nicht wahr?«
    »So wird es sein. Pierre, Roland Pais ist tot. Das, was jetzt in ihm lebt, ist nicht mehr Roland. Es ist etwas anderes, das vielleicht noch mehr an seiner Existenz hängt als jeder Mensch. Den Verletzten muß ich untersuchen. Ich muß wissen, ob Roland den Keim auf ihn übertragen hat.«
    »Man muß also nicht sterben, um zum Werwolf zu werden?«
    »Man muß auch nicht sterben, um Vampir zu werden. Roland war tot, der Arzt muß es nicht unbedingt sein. Ich hoffe, daß der Keim in Roland noch nicht fortpflanzungsfähig war.«
    »Ansonsten müßte der Arzt getötet werden?«
    »Im schlimmsten Fall - ja«, sagte Nicole leise.
    »Und wie sieht der andere Fall aus?«
    Sie

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