0494 - Hexen-Polterabend
wenn du stirbst?«
»Wirst auch du vergehen!« erklärte er knallhart und schaute sie dabei an.
Jane fürchtete sich nicht vor seinem Gesicht.. Die Haut hatte einen dunkleren Farbton angenommen und verströmte einen noch intensiveren Geruch. Er war scharf, erdig und modrig zur gleichen Zeit. In den Augen des Dämons lag der Wille, alles zu unternehmen.
Die Herde umtanzte den Thron. Auch der Totenpfeifer machte mit. Sein Bart wehte, die Schlangen bewegten sich im Rhythmus der Melodie, die über seine Lippen drang.
Rechts von ihm standen die Musiker, zusammen mit den drei Hexen Marthel, Osina und Ulana. Die Hexen hüpften von einem Bein auf das andere. Dabei sangen sie Lieder, deren Texte Jane nicht verstand, und sie gehorchte, als Abandur den Druck seiner Hand verstärkte.
Er stand auf.
Fast gleichzeitig mit ihm erhob sich auch Jane Collins. Wie der Hexenmeister, so blieb auch sie vor dem Thron stehen, schaute auf die tanzenden Gestalten und darüber hinweg, wo der Nebel noch immer dicht wie Watte schwebte.
Abandur hob beide Arme. Da sämtliche Glotzaugen auf ihn und Jane gerichtet waren, wurde das Zeichen verstanden. Mit letzten Mißtönen und Klängen verstummte die schrille Musik.
Wenn der Meister eine Rede halten wollte, dann kündete er dieses Vorhaben durch große Gesten an.
Er schaute auf die versammelten Gestalten, forschte in jedem Gesicht nach, während Janes Blicke über das Nebelmeer hinwegglitten, bis dorthin, wo sich der düstere Wald abzeichnete und undurchlässig wie eine Mauer wirkte.
Erkennen konnte sie dort nichts, auch keine Einzelheiten ausmachen. Dennoch wurde sie den Eindruck nicht los, daß sich dort hinten etwas befand, das sie kannte.
Sie kannte es sehr gut, hatte oft genug damit zu tun gehabt. Es war ihr auch immer sympathisch gewesen. Sie hatte es geliebt, sie hatte darum gezittert, auch jetzt war es nicht vergessen, aber es schien ein Schleier darüber zu liegen.
Die Erinnerung wollte einfach nicht kommen, das neue Leben hatte schon zu sehr Besitz von ihr ergriffen. Das, was sie zu fühlen glaubte, lag so fern wie eine andere Welt, die für menschliche Augen nicht mehr sichtbar war.
Jane schrak zusammen, als Abandur sie leicht berührte. Sie erwachte aus der Erinnerung, drehte den Kopf und sah sein Gesicht dicht vor dem ihren. Der breite Mund hatte sich noch mehr verzogen, ein Lauern stand in den Augen, und Jane hörte die Frage, die der Hexenmeister nur zischelnd stellte.
»Was war mit dir, schöne Braut? Was hast du gesehen? Du warst wie selbstvergessen.«
Jane strich ihr Haar zurück. Tonlos erwiderte sie: »Ich weiß es auch nicht so recht.«
»Doch, du willst es mir nur nicht sagen.«
Sie hob die Schultern. »Erinnerung, mehr nicht. Es war ein Stück Erinnerung.«
»Woran?«
»An die Zeit vor dieser!«
Der Hexenmeister winkte unwirsch ab. »Das ist vorbei, Jane. Du gehörst jetzt zu mir. Begriffen?«
»Ja, aber ich konnte mich nicht dagegen wehren. Es stieg plötzlich empor.«
Diese Worte hatten das Mißtrauen des Hexenmeisters nicht vertreiben können. »Trotz des Trankes, den du zu dir genommen hast? Du hast ihn doch getrunken - oder?«
»Ja, er schmeckte gut. Ich spürte, wie er mein Blut in Wallung brachte und eine Sehnsucht in mir auflodern ließ. Die Sehnsucht nach dir, aber das andere ist einfach nicht vorbei.«
»Weiß man, daß du hier bist?«
»Niemand.«
»Dann kann dir auch niemand gefolgt sein.«
»Stimmt.«
Das Mißtrauen war bei Abandur nicht beseitigt. Er wußte genau, daß es auch jetzt noch Kräfte und Feinde gab, die ihn vernichten konnten, deshalb wollte er sich beeilen.
Vor den Augen zahlreicher Zeugen nahm er Jane Collins in seine Arme und preßte sie hart an sich.
Jane spürte ihn, und sie fühlte auch, wie etwas von seiner Macht auf sie überging. Das Kleid befand sich zwischen ihnen, aber es war so dünn, daß man es praktisch als überflüssig hätte bezeichnen können.
»Nur mich siehst du an!« raunte er Jane ins Ohr. »Hast du verstanden? Nur mich?«
»Ja.«
Er drückte sie von sich und schaute wieder auf das »gemeine Volk«. Ja, er war der Herrscher, ein Stellvertreter des Satans, und er hatte seine Aufgabe bisher ausgezeichnet erfüllt.
»Meine Freunde«, begann er. »Ich freue mich, daß ihr den Weg aus der kühlen Erde zu mir gefunden habt. Lange genug habt ihr warten müssen, ebenso wie ich. Aber die Zeit ist reif. Drei von euch haben mich geholt, sie gruben mich aus und steckten mich in ihren Kessel, in dem der
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