0499 - Todesblues für Marylin
habe das Apartment nur einmal betreten. Es lag eine Verwechslung vor. Der Mietvertrag ist inzwischen gelöst worden.«
»Und Sie konnten nicht in Erfahrung bringen, wer sich Ihres Namens bedient hat, Miß van Myen?«
»Nein.«
Der Chef verbeugte sich. »Dann entschuldigen Sie bitte«, sagte er konventionell. »Wir danken Ihnen.«
Miß van Myen blickte ihnen nach, als sie die Büroräume verließen.
Mr. High und Collins redeten kein Wort miteinander. Erst als sie auf der Straße standen, händigte Collins seinem Chef den Autoschlüssel aus.
»Was soll ich damit?« fragte Mr. High erstaunt.
»Sie sollten jetzt zum Waldorf Astoria fahren, Chef. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich Sie darum bitte!«
»Nein, natürlich nicht, Hai, obwohl ich Ihr Verhalten zumindest sehr merkwürdig finde.«
»Ich weiß«, entgegnete Hai unbewegt. »Aber ich habe eine Spur. Und ich möchte ihr nachgehen. Allein.«
Mr. High lächelte. Er wußte, daß sich ein G-man auch manchmal auf sein Gefühl verlassen mußte.
»Okay, Hai, aber geben Sie mir bis zum Abend Nachricht! Und machen Sie nichts allein! Jerry und Phil gehören zu unseren Besten! Trotzdem hat es sie erwischt. Die Cosa Nostra ist weder ein Gesangverein noch ein Bowlingklub.«
Hai nickte. »Ich werde es nicht vergessen. Und vielen Dank für Ihr Vertrauen, Chef.«
Mr. High ging zur Tiefgarage, Hai Collins winkte ein Taxi heran. »Können Sie in meiner Nähe bleiben, ohne daß Sie allzuviele Strafmandate kriegen?«
»Das kommt auf den Preis an, Mister!« Hai zeigte ihm seine Marke.
Der Chauffeur grinste. »Das ist ein Job für mich. Ich werde Sie nicht aus den Augen verlieren!«
***
Marilyn van Myen starrte noch immer auf die Tür, als Mr. High und Hai Collins längst im Fahrstuhl waren.
»Ditha!« rief sie.
Das junge Mädchen aus dem Vorzimmer kam sofort herein.
»Ich muß schnell weg. Wenn Mr. Kushman nach mir fragen sollte, dann richte ihm aus, daß ich heute nicht mehr ins Büro kommen werde.«
»Jawohl, Miß van Myen«, sagte Ditha folgsam. »Ich werde alles ausrichten, wie Sie es wünschen.«
Marilyn nickte der Kleinen zu, zog einen hellen Staubmantel an, der durch seine raffinierte Einfachheit bestach, setzte einen dazu passenden Hut auf und verließ das Büro.
Sie benutzte nicht den offiziellen Fahrstuhl, sondern ging eine schmale Treppe hinunter, die zwar auch in der großen Halle endete, die aber den Vorteil hatte, daß man nicht an dem Portier vorbei mußte.
Als Marilyn auf die belebte Straße hinaustrat, blickte sie sich erst nach allen Seiten um. Dann überquerte sie den Fahrdamm und ging die Einfahrt hinunter, die zu einer Sammelgarage führte. Bald darauf schoß ein roter Porsche heraus.
Marilyn wartete, bis sie sich in den Verkehr einreihen konnte. Als die Kreuzung durch die Ampel gesperrt wurde, schaffte sie es.
Sie fuhr die Fifth Avenue in Richtung Norden, am Central Park vorbei, dann bog sie links am Harlem River ab, überquerte die Brücke am Baker Field und drehte voll auf, als sie die Ausfallstraße nach Yonkers erreichte.
Ihre schmalen Hände vibrierten.
Angespannt blickte sie geradeaus. Ihre Lippen bewegten sich. Auf einmal war ihr hübsches Gesicht gar nicht mehr so schön. Die Wut verzerrte es, die Augen blickten kalt. »Diese Idioten«, murmelte sie vor sich hin. »Sie wollen mich reinlegen, deshalb haben sie ihn in meiner Wohnung geschnappt.«
In Yonkers nahm sie die Abzweigung nach Tuckahoe. Kurz vor der Ortschaft fuhr Marilyn rechts in einen ausgebauten Waldweg. Ein Schild zeigte an, daß er zum Privatsanatorium eines Dr. Sinclair führte.
Ehe der Weg in einen weiten Plätz mündete, der im Hintergrund von den mächtigen Gebäuden des Sanatoriums eingerahmt wurde, hielt sie den Wagen an und lenkte ihn zwischen die Bäume.
Sie holte eine Pistole aus dem Handschuhfach, steckte sie in die Manteltasche. Dann schloß sie den Wagen ab und lief auf den Weg zurück.
Über den Rasenplatz kam ein mittelgroßer, schmalhüftiger Mann. Als er Marilyn erkannte, blieb er stehen.
»Boro!« flüsterte sie. Ihre Augen flatterten vor Angst.
»Komm!« sagte der Mann. »Ich möchte dir etwas Vorspielen. Liebst du Blues?«
***
Die Hitze in meinem Körper ließ nach, genauso schnell, wie sie gekommen war. Meine Bewußtlosigkeit konnte nur Sekunden gedauert haben. Um mich herum hatte sich nichts verändert.
Die Schwester fühlte meinen Puls. Sie beugte sich herunter.
»Wie fühlen Sie sich, Mr. Cotton?« fragte sie leise, so daß ich
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