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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Schoß, den Rücken kerzengerade und steif. »Bitte, setzen Sie sich, Inspector Lynley«, sagte sie. Als er der Aufforderung nachgekommen war und ihr gegenüber Platz genommen hatte, fuhr sie fort: »Also gut. Ich habe gewußt, daß Elena...« Sie schien nach einer angemessenen Wendung zu suchen... »na ja, daß sie von sexueller Enthaltsamkeit nichts hielt.«
    »Hat sie Ihnen das gesagt?« fragte Lynley.
    »Es war offenkundig. Ich konnte es an ihr riechen. Sie hat sich nicht immer die Mühe gemacht, hinterher zu duschen, und der Geruch ist ja ziemlich charakteristisch.«
    »Haben Sie mit ihr darüber gesprochen? Oder hat Ihr Mann es angesprochen?«
    Sie zog ironisch eine Augenbraue hoch. »Ich glaube, mein Mann ignorierte lieber, was seine Nase ihm sagte.«
    »Und Sie?«
    »Ich habe mehrmals versucht, mit ihr zu sprechen. Erstens, weil ich glaubte, sie sei aus Unwissenheit so nachlässig, und zweitens, weil ich mich vergewissern wollte, daß sie etwas zur Verhütung tat. Ich hatte, ehrlich gesagt, nicht den Eindruck, daß sie und ihre Mutter solche Gespräche führten.«
    »Aber sie wollte wohl nicht mit Ihnen sprechen?«
    »Im Gegenteil. Sie war durchaus bereit, mit mir zu sprechen. Sie war ziemlich belustigt über meine Besorgnis. Sie teilte mir mit, sie nähme die Pille bereits seit ihrem vierzehnten Lebensjahr. Sie habe damals ein Verhältnis mit dem Vater einer Schulfreundin gehabt. Ob das wahr ist, weiß ich nicht. Was die Hygiene angeht, so wußte Elena genau, was sie tat. Sie duschte absichtlich nicht. Die Leute sollten ruhig wissen, was sie trieb. Vor allem, glaube ich, wollte sie es ihren Vater wissen lassen.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ach, manchmal kam sie sehr spät noch bei uns vorbei, und wenn wir dann noch auf waren, hat sie sich förmlich an ihren Vater gehängt. Mit ihm geschmust. Und gerochen hat sie wie...« Justine verstummte.
    »Wollte sie ihren Vater stimulieren, glauben Sie?«
    »Das dachte ich zuerst, ja. Sie hat sich wirklich ganz so verhalten. Aber dann kam mir der Verdacht, daß sie ihm nur unter die Nase reiben wollte, wie normal sie sei.«
    »Aus Trotz?«
    »Nein. Nein, gar nicht. Es war eher ein Akt der Unterwürfigkeit.« Sie merkte seinen fragenden Blick und fügte hinzu: »Ich bin ganz normal, Daddy. Schau, wie normal ich bin. Ich geh auf Partys, ich trinke und schlafe mit Männern. Das wolltest du doch, oder nicht? Du wolltest doch immer ein normales Kind.«
    Ihre Worte bestätigten, was Terence Cuff am Abend zuvor über Anthony Weavers Beziehung zu seiner Tochter angedeutet hatte.
    »Inspector, er wollte ihre Gehörlosigkeit negieren. Und ihre Mutter ebenso.«
    »Hat Elena das gewußt?«
    »Natürlich. Ihre Mutter und ihr Vater haben ja ihr ganzes Leben lang krampfhaft versucht, eine normale Frau aus ihr zu machen, genau das, was sie niemals werden konnte.«
    »Weil sie gehörlos war.«
    »Richtig.« Zum erstenmal löste sich Justine aus ihrer starren Haltung und beugte sich ein wenig vor, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Wer taubstumm ist, ist nicht normal, Inspector.«
    Sie hielt inne und sah ihn an, als wollte sie seine Reaktion beobachten. Und er spürte schon jenen Widerwillen in sich aufsteigen, der ihn stets durchzuckte, wenn jemand eine fremdenfeindliche, menschenfeindliche oder rassistische Bemerkung machte.
    »Sehen Sie«, sagte sie ruhig, »Sie möchten auch einen normalen Menschen aus ihr machen. Sie möchten behaupten, sie sei normal, und möchten mich dafür verurteilen, daß ich zu behaupten wage, wenn man taubstumm sei, sei man anders. Genau das wollte Anthony gern glauben. Man kann ihn also im Grunde nicht dafür verurteilen, nicht wahr, daß er seine Tochter genauso beschreiben wollte, wie Sie es eben getan haben!«
    Die Worte waren von einer klaren, kühlen Erkenntnis. Lynley fragte sich, wieviel Zeit und Überlegung Justine Weaver zu einer so distanzierten Beurteilung gebraucht hatte.
    »Aber Elena konnte ihn verurteilen.«
    »Ja, und sie hat es getan.«
    »Adam Jenn hat mir erzählt, daß er sich auf Wunsch Ihres Mannes ab und zu mit ihr getroffen hat.«
    Justine richtete sich wieder auf. »Anthony hoffte, Elena würde sich in Adam verlieben.«
    »Könnte er dann vielleicht der sein, der sie geschwängert hat?«
    »Das glaube ich nicht. Adam hat sie erst im letzten September kennengelernt, auf dem Fakultätsfest, das ich vorhin erwähnt habe.«
    »Aber wenn sie kurz darauf schwanger wurde...?«
    Justine wehrte mit einer kurzen Handbewegung ab.

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