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05 - Der Kardinal im Kreml

05 - Der Kardinal im Kreml

Titel: 05 - Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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zu
fallen und reduzierte die Sichtweite auf hundert Meter. In der Nähe
schien ein Zug zusammengestellt zu werden. Rangierlokomotiven fuhren hin und her, schoben geschlossene Güterwagen von einem Gleis aufs
andere.
Einige Minuten lang kauerte er neben einem Wagen, um sich ein
Bild von den Vorgängen zu machen. Fünfzig Meter entfernt standen ein
paar Güterwagen, von denen aus er einen besseren Überblick haben
würde. Die Tür eines Wagens stand offen. Er ging mit gesenktem Kopf
hinüber, hörte nur das Knirschen des Schnees unter seinen Sohlen und
das Pfeifen der Rangierlokomotiven. Ein freundliches Geräusch, sagte er
sich; ein Geräusch, das sein Leben ändern, ihn vielleicht in die Freiheit
führen würde.
Zu seiner Überraschung sah er Menschen in dem Güterwagen. Drei
Männer. Zwei hatten Kisten mit Ersatzteilen in der Hand. Die Hände
des dritten waren leer, bis er in die Tasche faßte und ein Messer zog. Altunin wollte etwas sagen. Ihm war es gleich, wenn sie Ersatzteile
stahlen, um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Ihn ging das
überhaupt nichts an, doch ehe er etwas herausbekam, sprang der dritte
Mann ihn an. Altunin schlug mit dem Kopf gegen eine Schiene, blieb
zwar bei Bewußtsein, war aber für einen Augenblick benommen und zu
überrascht, um Angst zu empfinden. Der Dritte drehte sich um und sagte
etwas. Die Antwort bekam Altunin nicht mit, aber sie kam rasch und scharf. Er war noch immer bemüht, das Ganze zu verstehen, als der
Mann herumfuhr und ihm die Kehle durchschnitt. Kein Schmerz... er
wollte nur erklären... ginge ihn nichts an... einer stand mit zwei
Kartons neben ihm und hatte eindeutig Angst; komisch, dachte Altunin,
ich bin doch derjenige, der stirbt.
Zwei Stunden später kam eine Rangierlokomotive nicht mehr rechtzeitig zum Stehen, als dem Lokführer ein schneebedecktes Bündel auf
den Schienen auffiel. Als er sah, was er überfahren hatte, verständigte er
den Rangiermeister.
    Erstklassige Arbeit», kommentierte Watutin. «Die Mistkerle!» Haben die Abmachung gebrochen, sagte er sich: Ein ungeschriebenes, aber gültiges Gesetz besagte, daß die CIA in der Sowjetunion keine Sowjets töten durfte und daß das KGB in den Vereinigten Staaten Amerikaner und sogar sowjetische Überläufer ungeschoren ließ. Soweit Watutin wußte, hatte keine Seite jemals gegen dieses Gesetz verstoßen, und das hatte auch seinen Sinn. Die Funktion von Geheimdiensten ist das Sammeln von Nachrichten; aber wenn die Agenten von KGB und CIA ihre Zeit mit dem Töten von Menschen verbrachten - mit den unvermeidlichen Vergeltungs- und Gegenvergeltungsschlägen -, wurde die Hauptarbeit nicht getan. Und so kam es, daß die nachrichtendienstliche Arbeit ein zivilisiertes, berechenbares Geschäft war. In Ländern der Dritten Welt galten natürlich andere Regeln, aber in Amerika und der Sowjetunion hielt man sich aufmerksam an die Vorschriften.
Bisher jedenfalls - oder soll ich annehmen, daß dieser arme Teufel von
    Ersatzteildieben umgebracht wurde? Watutin erwog die Möglichkeit, daß die CIA den Job von einer Verbrecherbande hatte erledigen lassen. Das wäre im Grunde doch kein Verstoß gegen die Regeln, oder?
    Fest stand jedenfalls, daß das nächste Glied der Kurierkette tot zu seinen Füßen lag; seine einzige Hoffnung, eine Verbindung zwischen dem Mikrofilm und dem amerikanischen Spion im Verteidigungsministerium herzustellen, war mit ihm gestorben.
    Das Opfer war zwar von den Rädern der Lokomotive grausam verstümmelt worden, doch es stand fest, daß die Todesursache eine durchschnittene Kehle war. Keine Hinweise, daß ein Kampf stattgefunden hatte - Altunin hatte sich nicht gegen seinen Mörder gewehrt. Schlußfolgerung: Er hatte ihn gekannt. Konnte es ein Amerikaner gewesen sein?
    «Zuerst möchte ich festgestellt haben», sagte Watutin, «welche Amerikaner zwischen achtzehn und dreiundzwanzig Uhr nicht in ihren Wohnungen waren.» Er drehte sich um. «Doktor!»
    «Ja, Genosse Oberst?»
«Wann trat der Tod ein?»
«Der Temperatur der größeren Leichenteile nach zu urteilen zwischen
einundzwanzig Uhr und Mitternacht. Eher früher als später, aber Kälte und Schneedecke komplizieren die Angelegenheit.»
    Watutin ging hinüber zu dem Lokomotivführer. «Eine Hundekälte, nicht wahr?»
Die Botschaft kam an. «Ja, Genosse. Möchten Sie etwas zum Aufwärmen?»
«Sehr nett von Ihnen, Genosse Lokomotivführer.»
«Ist mir ein Vergnügen, Genosse Oberst.» Der Lokführer holte einen Flachmann heraus, sah zu, wie der

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