05 - Der Kardinal im Kreml
das Schlauchboot nach oben. Nun stand er auf der
winzigen Brücke des U-Bootes, legte das Schlauchboot quer aufs Deck
und zog an der Leine der Aufblasautomatik. Das schrille Pfeifen der
Preßluft klang wie ein Schrei in der Nacht; Clark verzog das Gesicht.
Sobald das Gummigewebe prall war, ließ er den Matrosen das Luk
schließen und griff nach dem Brückentelefon.
«Hier alles klar, Luk geschlossen. Wir sehen uns in zwei Stunden.» «Viel Glück», sagte Mancuso noch einmal.
Oben kletterte Clark geschickt in sein Schlauchboot, als Dallas unter
ihm zu versinken begann, und schaltete den elektrischen Außenborder
ein. Im Boot selbst wurde das untere Turmluk kurz geöffnet, um den
Matrosen durchzulassen, und dann vom Captain verschlossen.
«Klar zum Tauchen», meldete der Chief, als alle Anzeigen auf Strich
umgesprungen waren.
«Das wär's dann», stellte Mancuso fest. «Mr. Goodman, Sie überwachen das Ruder. Sie wissen, was Sie zu tun haben.»
Der WO bestätigte den Befehl; der Captain ging nach vorne zum
Sonarraum. Lieutenant Goodman ließ das Boot sofort tauchen und
steuerte auf den Grund zu.
Jones im Sonar, dachte Mancuso, wie in der guten alten Zeit. Das
Boot wurde ausgetrimmt und richtete sein Bugsonar auf den Kurs, den
Clark genommen hatte. Eine Minute später traf Ramius zur Beobachtung ein.
«Warum sind Sie nicht ans Sehrohr gekommen?« fragte Mancuso. «Es tut weh, wenn man die Heimat sehen kann, aber weiß, daß man
nie -»
«Da fährt er.» Jones tippte mit dem Zeigefinger auf einen Monitor.
«Achtzehn Knoten. Ziemlich leise für einen Außenborder. Elektromotor?»
«Ja.»
«Dann kann ich nur hoffen, daß er gute Batterien hat, Skipper.» «Lithiumzellen mit rotierender Anode. Ich hab mich erkundigt.» «Gut.» Jones grunzte, schüttelte eine Zigarette aus der Packung und
bot sie dem Captain an, der für den Augenblick vergaß, daß er das
Rauchen mal wieder aufgegeben hatte. Jones gab ihm Feuer und setzte
eine versonnene Miene auf.
«Wissen Sie, Sir, jetzt weiß ich wieder, weshalb ich aufgehört habe -»
Jones' Stimme verklang; er sah zu, wie sich die Sonarschleppe von
Clarks Boot in der Ferne verlor. Er verdrehte den Hals und lauschte. In
Dallas herrschte Totenstille; Spannung lag in der Luft.
Clark lag fast platt in seinem Schlauchboot. Das Fahrzeug aus gummibeschichtetem Nylongewebe war graugrün gestreift und kaum vom
Meer zu unterscheiden. Man hatte erwogen, es wegen des Treibeises,
das es in dieser Gegend im Winter gab, mit weißen Flecken zu versehen, diesen Plan aber auf die Erkenntnis hin, daß die Fahrrinne von
einem Eisbrecher freigehalten wurde, wieder fallenlassen: Ein sich rasch
bewegender weißer Fleck auf dunkler Oberfläche war keine gute Tarnung mehr. Clarks Hauptsorge war das Radar. Der Turm des U-Bootes
mochte in dem Wirrwarr aus Eisschollen nicht erfaßt worden sein, aber
wenn die russische Radaranlage über einen Detektor für sich rasch
bewegende Objekte verfügte, konnte der simple Computer, der die
reflektierten Signale überwachte, durchaus auf etwas ansprechen, das mit
33 Kilometern dahinrauschte. Das Boot selbst hatte nur dreißig Zentimeter Freibord; der Motor ragte etwas höher auf, war aber mit einer
radarabsorbierenden Substanz beschichtet. Clark war bedacht, den Kopf
nicht über die Ebene des Außenbordmotors zu heben, und fragte sich
erneut, ob die wenigen Gegenstände aus Metall, die er bei sich trug, groß
genug waren, um auf einem Radarschirm zu erscheinen. Gewiß, diese
Sorge war irrational, denn auf die Teile sprach noch nicht einmal ein
Metalldetektor des Typs, wie er auf Flughäfen verwendet wird, an, aber
einsame Männer in gefährlichen Gegenden neigen halt zu geistiger Hyperaktivität. Als Dummkopf ist man besser dran, entschied er. Intelligenz ließ einen nur erkennen, was alles schiefgehen konnte.
Die Küste war als Reihe von Punkten am Horizont deutlich zu erkennen. Eigentlich sah sie ganz normal aus -, war aber feindliches Territorium. Diese Erkenntnis löste ein heftigeres Frösteln aus als die saubere
Nachtluft.
Wenigstens war die See ruhig. Etwas Seegang hätte zwar für günstigere
Radarbedingungen gesorgt, aber auf der glatten Oberfläche kam er rascher voran, und Tempo bewirkte immer, daß er sich wohler fühlte. Er
schaute nach achtern. Das Boot zog praktisch kein Kielwasser hinter sich
her, und die geringe Turbulenz wollte er noch weiter verringern, indem
er kurz vorm Hafen langsamer fuhr.
Geduld, sagte er sich überflüssigerweise.
Die ersten
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