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05 - Spiel der Intrigen

05 - Spiel der Intrigen

Titel: 05 - Spiel der Intrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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sich auf ihren
Stuhl zurückfallen. Fitz und der Earl verbeugten sich vor Emily, blieben vor
ihr stehen und schauten sie an.
    Emily erwiderte ihre Blicke und
fragte sich verzweifelt, ob sich Prinzessinnen in oberflächliche Plaudereien
stürzten oder ob sie edles Schweigen bewahrten. Sie entschied sich für
Schweigen. Fitz starrte Emily voller Ehrfurcht an. Man hatte selten Gelegenheit,
solch makellosen, ungeschminkten Teint, solche ausdrucksvollen Augen, solch
einen schön gerundeten Busen zu sehen.
    Die Augen des Earl begannen
allmählich belustigt zu tanzen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen und das
Schweigen zu brechen, doch dann schloss er ihn wieder, weil er sich überlegte,
es könnte unterhaltsam sein, zu beobachten, wie lange Miss Emily ihre Rolle
durchhielt.
    Es gab einen lauten Knall, als
Rainbird eine Flasche Champagner öffnete, aber Emilys schöne Augen behielten
ihren starren Blick. Rainbird bot dem Earl und Fitz Champagner an. Fitz nahm
gedankenverloren sein Glas, ohne die Augen auch nur einmal von Emilys Gesicht
abzuwenden.
    Die Kapelle, die aus vier Streichern
und einem älteren Herrn, der an einem kleinen Spinett saß, bestand, war in eine
Ecke des rückwärtigen Salons hinter einen Wald von Treibhauspflanzen gesetzt
worden.
    »Spielen Sie!« zischte Rainbird, in
der Hoffnung, die Atmosphäre etwas aufzuheitern.
    Die Musiker begannen eine langsame,
getragene Pavane zu spielen, die das Schweigen zwischen den Gästen und den Gastgebern
nur noch unterstrich.
    Rainbird raste in die Küche hinunter
und erwischte Joseph gerade noch, der seine beste Livree angezogen hatte und
dabei war, nach oben zu gehen, um seinen Platz als Lakai einzunehmen. »Hol
deine Mandoline, Joseph«, sagte Rainbird, »und spiel etwas Heiteres und
Lebhaftes. Dave, zieh deinen besten Anzug an und betätige dich als Page. Alice
und Jenny, ihr müsst heute abend bedienen.«
    »Aber da oben herrscht
Grabesstille!« rief Jenny.
    »Ich spür' es in den Knochen, dass
viele Leute kommen«, sagte Rainbird. »Oh, beeil dich doch, Joseph, sonst sitzt
Miss Emily weiter wie eine Statue da, und die Herren werden sich
verabschieden!«
    Giles, Lord Fleetwoods Butler, beschloss
zu gehen, bevor er mit anpacken musste. Oben hüstelte Mrs. Middleton vornehm und
dachte krampfhaft über einen passenden Gesprächsstoff nach. Emily saß
stocksteif da und schaute geradeaus. Sie und Mrs. Middleton hatten sich vorher
darauf geeinigt, nichts zu trinken, damit sie keine Schnitzer machten. Jetzt
sehnte sich Emily nach einem Glas Champagner, hatte aber Angst, es zu sagen. In
den Augen des Earl stand ein boshaftes Lächeln, doch er gab keinen Ton von
sich. Fitz stand starr wie in Trance da.
    Mr. Goodenough war so wenig daran
gewöhnt, sich mit einem anderen Menschen als Emily zu unterhalten, dass er
still blieb, da er das Gefühl hatte, dass es ihm nicht zustand, das Schweigen
als erster zu brechen.
    Hinter ihrer würdevollen Maske
zitterte Emily vor Angst. Sie fragte sich, ob es ihr je wieder gelingen würde,
einen Laut herauszubringen.
    Der Earl of Fleetwood sah teuflisch
aus mit seinen rabenschwarzen Haaren und den schrägen blauen Augen. Sein
    Abendanzug war so fein gearbeitet,
so makellos, so untadelig,
    dass er ihr noch vornehmer und
schöner erschien, als sie ihn in Erinnerung hatte, und noch einmal so
furchteinflößend. Und
    Mr. Fitzgerald war genauso schlimm.
Emily hatte nie zuvor ei-
    nen Dandy aus unmittelbarer Nähe
gesehen. Fitz war so extravagant gekleidet mit seiner geschnürten Taille, der
bestickten
    Weste und dem riesigen gestärkten
Hemdkragen, dass er Emily irgendwie unwirklich vorkam. Sie stellte fest, dass
Mr. Fitzgeralds Gesicht so grell geschminkt war wie das einer weiblichen Person
der Halbwelt. Ich stehe, dachte Emily, und ein Schauer lief ihr den Rücken
hinunter, der verkörperten Dekadenz Auge in Auge gegenüber!
    Aus dem hinteren Salon war eine
hitzige Auseinandersetzung zu hören, und dann erstarb die feierliche Musik.
    Lord Fleetwood fand gerade, dass der
Spaß jetzt lange genug gedauert hatte. Es war Zeit, sich zu verbeugen und zu
verabschieden. Da erfüllte die muntere Tanzmelodie eines volkstümlichen
italienischen Liedes den Raum, und Josephs lieblicher Tenor ertönte.
    In Emilys bleiche Wangen stieg eine
sanfte Röte, und plötzlich lächelte sie. Der belustigte Ausdruck verschwand
aus den Augen des Earl, und er starrte sie genauso an, wie sein Freund sie
angestarrt hatte.
    »Bei Gott, das ist eine lustige
Melodie«,

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