0501 - Der Biß der Kobra

skeptisch ein. »Wo du die ganze Zeit über nur vor dich hin brütest und geistig immer unflexibler wirst, weil du an nichts mehr denken willst als an deine Schuldgefühle? -Aber es stimmt schon«, fügte sie hinzu. »Es gibt für Ssacah keine Möglichkeit, hier einzudringen.«
    Zamorra schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher. Mir wär’s lieber, wenn wir die ganze Burg auf den Kopf stellen und so lange schütteln könnten, bis die Schlange entweder herausfällt - oder wir absolut sicher sein können, daß sie nicht existiert.«
    »Wenn die Messing-Schlange keine Halluzination gewesen wäre, hätte sicher auch Sara ihre Nähe spüren können«, warf Merlin ein. »Selbst wenn ich eingestehen muß, daß ich ein wenig abgelenkt war: Sara war und ist es nicht.«
    »Sie ist hier?« vergewisserte sich Zamorra.
    »Bevor ich dich holte, war sie es noch«, behauptete Teri, und Merlin nickte dazu. »Ich werde sie hierher bitten«, sagte er. »Aber…«
    Seine Hand berührte Zamorras Schulter. »Aber wie ist es möglich, daß ich unter Halluzinationen leide, mein Freund?« wiederholte er seine Frage von vorhin. »Kannst du mir das sagen?«
    Zamorra schüttelte den Kopf. »Dafür weiß ich viel zu wenig von dir«, bedauerte er. »Aber ich kann nicht glauben, daß es eine Halluzination war. Ich fürchte, es war eine echte Kobra hier drinnen, und ich werde herausfinden, wie sie es geschafft hat, einzudringen!«
    ***
    Sara Moon richtete sich auf; ihr Blick klärte sich ein wenig. Langsam tastete sie nach ihrem Nacken, spürte die Bißstellen und ließ die Hand dann wieder sinken. Sie sah sich nach den beiden Messing-Kobras um. Sie wunderte sich nicht darüber, daß im gleichen Moment, in dem die erste Schlange den Keim Ssacahs auf Merlins Tochter übertragen hatte, eine zweite Kobra entstanden war. Endlich war Ssacah wieder ein kleines bißchen stärker geworden und der Tag seiner Wiederkehr nähergerückt.
    Sara Moon fragte sich nicht, wie der erste Ableger in die Burg gelangt war. Aber sie mußte die beiden schützen. Vorsichtig bückte sie sich nach den unterarmlangen Kobras, hob sie auf und ließ sie in den Ärmel ihres Gewandes verschwinden, wo sie sich um ihre Arme wanden und Halt fanden.
    Sara versetzte sich im zeitlosen Sprung in eines ihrer Zimmer und schottete sich dort ab. Nachdem die Sperre errichtet war, konnte ohne ihre Einwilligung nicht einmal Merlin eindringen und zu ihr gelangen. Das war eine Möglichkeit, die jedem Besucher oder Bewohner Caermardhins zur Verfügung stand, um den Schutz der Intimsphäre zu gewährleisten.
    Sara ließ sich in einem bequemen Sessel nieder und überlegte ihr weiteres Vorgehen. Natürlich mußte sie zusehen, daß sie so schnell wie möglich andere Personen infizierte, damit der Ssacah-Keim sich ausbreitete. Mit ihren Fähigkeiten hatte sie die besten Voraussetzungen dafür, das überall unerkannt zu tun. Sie konnte sich blitzschnell über die ganze Welt bewegen und hier und da einen Menschen von den Messingschlangen beißen lassen.
    Ihren Vater Merlin zu infizieren, erschien ihr zu riskant. Er war sehr stark, auch wenn er momentan nicht diesen Eindruck machte. Doch der Biß der Kobra würde ihn wieder zum Kämpfer machen. Vor einer Stunde war dies Sara noch erstrebenswert erschienen, jetzt aber dachte sie anders darüber. Ein aktiver Merlin war viel zu gefährlich. Möglicherweise polte er die Schlangen-Magie um und setzte sie gegen Ssacah selbst ein - eine Befürchtung, die auch Stygia als Argument ins Feld geführt hatte, ohne daß Sara das auch nur im Entferntesten ahnte.
    Sie hatte früher schon mit dem Kobra-Kult zu tun gehabt. Sie entsann sich vage, einmal Ted Ewigk mit einem Ssacah-Ableger allein gelassen zu haben. Damals, als er der ERHABENE der DYNASTIE DER EWIGEN gewesen war und sie ihn hatte ausschalten wollen, um selbst diese Position einzunehmen. Leider hatte sie damals versäumt, Ewigks Machtkristall zu vernichten. Ohne seinen Dhyarra 13. Ordnung hätte er ihr später bei weitem nicht so große Schwierigkeiten machen können…
    Aber das war lange vorbei. Vorbei war die Kontrolle ihrer Persönlichkeit durch. CRAAHN, vorbei auch die Phase, in der sie sich nach CRAAHNs Löschung aus allen Konflikten herausgehalten und auch ihre Funktion als ERHABENE nicht weiter wahrgenommen hatte. Diesen Posten nahm jetzt ein anderer ein. Saras Gedanken überschlugen sich plötzlich. Wäre es nicht fantastisch, zurückzukehren, ihren Nachfolger auszuschalten und als ERHABENE die