0505 - Der japanische Geist
treffen.
Wie ein Betrunkener taumelte ich durch mein Wohnzimmer, das einem Schlachtfeld glich. Gütiger Himmel, dieser Kampf hatte auch mich geschafft.
Erschöpft fiel ich auf die Couch, die Waffe des Japaners hielt ich dabei in der Rechten. Mein Atem ging schwer und stoßweise. Im Kopf randalierten tausend kleine Zwerge, und mein Körper fühlte sich an, als wäre er durch die Mangel gedreht worden.
Daß ich diese Auseinandersetzung zu meinen Gunsten hatte entscheiden können, damit war zu Beginn wirklich nicht zu rechnen gewesen. Ich hoffte nur, daß die beiden lange genug bewußtlos bleiben würden, bis ich wieder einigermaßen zu Kräften gekommen war. Außerdem mußten sie aus meiner Wohnung geschafft werden.
Für den Koloß Naginata brauchte man sicherlich einen Kran.
Einiges war zerstört worden, glücklicherweise nicht das Telefon.
Ich holte zunächst Handschellen. Igeno bekam das Paar umgelegt, und auch den Ringer wollte ich damit bedienen. Das ging nicht. Seine Gelenke waren einfach zu dick.
Ich schleuderte die Fessel auf die Couch und nahm den Hörer ab.
Bevor ich dazu kam, die Nummer meiner Dienststelle zu wählen, hörte ich hinter mir eine flüsternde Stimme.
»Drehen Sie sich um, Sinclair! Ich möchte Sie nicht gern von hinten erschießen!«
Der Hörer wurde plötzlich heiß. Ich ließ ihn hastig fallen und wandte mich auf der Stelle um.
Igeno kniete am Boden. Seine Hände waren gefesselt, dennoch war es ihm gelungen, eine zweite Waffe zu ziehen. Es war ebenfalls ein stupsnasiger Revolver, dessen Mündung direkt auf meine Brust wies.
»Naginata hat es nicht geschafft. Ich aber werde dich erschießen, Sinclair!«
***
Der Samurai kam mit den Flammen!
Er wurde von ihnen eingehüllt wie in wehende Gardinen, die gleichzeitig auch als Schutz gedacht waren. Suko sah, daß er sich verändert hatte. Sein Schädel, schon zur Hälfte mumifiziert, leuchtete ebenfalls in einer kalten, grausam wirkenden grünen Farbe. Das Samurai-Schwert hielt er mit beiden Händen am Griff umklammert, und inmitten der gewaltigen grünen Feuerlohe fauchte er heran.
Suko hatte das Gefühl, aus den Schuhen gezerrt zu werden. Er flog durch die Luft, krachte irgendwo gegen und hielt dennoch die Peitsche wie einen letzten Rettungsanker fest.
Der Geist oder Samurai wirbelte über ihn hinweg. Ein eiskalter Luftzug, wie aus dem arktischen Winter stammend, streifte den Inspektor noch, er hörte ein Brechen, dann splitterndes Holz, auch Schreie und war einen Moment später allein.
Der Samurai hatte nicht einmal zugeschlagen, auch das Feuer hatte ihm nicht den Atem geraubt.
Er lag noch immer in der Diele und wurde von einer drückenden Stille umgeben.
Es dauerte eine Weile, bis es Suko gelang, sich wieder zurechtzufinden. Er zog schließlich die Beine an, gab sich selbst den nötigen Schwung und kam auf die Füße.
Sein Blick fiel auf die Wohnungstür. Der Samurai hatte sie bei seiner Flucht kurzerhand durchbrochen. Die scharfe Schwertklinge mußte das Holz zerschmettert haben.
Auch in den anderen Wohnungen war man aufmerksam geworden. Türen öffneten sich, erregte Stimmen trafen Sukos Ohren.
Schon bald sah er die ersten ängstlichen Gesichter in die Diele schauen.
Ein Mann drängte sich vor. Er trug ein Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln und hatte eine drohende Haltung eingenommen. Seine Hände waren schmutzig von der Arbeit. Er sah den Toten und erstarrte.
»Keine Sorge«, sagte Suko leise. »Ich bin von der Polizei. Scotland Yard sogar.«
»Sie?«
»Ja.« Suko zeigte seinen Ausweis.
Der Hausbewohner war halb zufrieden. »Und was ist mit Dr. Madson?« fragte er leise. »Ist er verletzt oder…?«
»Mehr oder«, antwortete Suko so leise, daß nur der Hausbewohner es hören konnte. »Er ist tot.«
Der Mann wurde bleich. »Wer hat ihn…?« Er ging zurück.
»Nicht ich«, sagte Suko und hob die Schultern. »Ich bin leider zu spät gekommen.«
»Und was machen Sie jetzt?«
»Jetzt rufe ich meine Kollegen an.«
Suko ging in den Wohnraum. Dort hatte er ebenfalls ein Telefon gesehen. Das im Arbeitszimmer war bei seinem Aufprall vom Schreibtisch gefegt worden.
Der Kollege stöhnte, als er Sukos Stimme vernahm, und er stöhnte noch mehr, als ihm Suko den Grund seines Anrufs nannte. »Okay, wir sind bald bei Ihnen.«
»Ich werde sehr schnell gehen.«
»Weshalb?«
»Vielleicht kann ich den Mörder noch stellen.«
Der Kollege lachte nicht einmal. Er hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, daß beim Yard Leute
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